[2018] Behemoth – I Loved You At Your Darkest

Album-Review zu «I Loved You At Your Darkest» von «Behemoth»

Facts & Figures

Band: Behemoth
Herkunft: PL
Genre: Black Metal/Black ‘n’ Roll
Datum: 05.10.2018
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Line-Up
Nergal: Vocals Guitars
Orion: Bass, backing Vocals
Inferno: Drums

Track-Liste
01. Solve (Intro)
02. Wolves ov Siberia
03. God = Dog
04. Ecclesia Diabolica Catholica
05. Bartzabel
06. If Crucifixtion Was Not Enough
07. Angelvs XIII
08. Sabbath Mater
09. Havohej Pantocreator
10. Rom 5:8
11. We Are The Next 1000 Years
12. Coagula (Outro)

 

Das Album

Ehemalige Innovatoren des extremen Metal pendeln zwischen der Selbstwiederholung und der Suche nach neuen Ideen. Die Inspiration vergangener Heldentaten wird allerdings vermisst, es werden keine zündenden Impulse geboten. Das Songwriting in sich fällt kompetent aus, insofern dass die Songs einen flüssigen Ablauf haben, aber sehr undynamisch und ohne nennenswerte positive Merkmale, die hervorstechen würden. Prinzipiell wiederholt man Stil und Songaufbau von „The Satanist“, vergisst aber Epik und emotionalen Tiefgang des Vorgängers. Die Riffs sind relativ simpel gehalten und stark repetitiv, wie auch bereits die übergreifenden Songstrukturen, aber ohne dass sich daraus ein interessanter Effekt entwickeln würde. Die Lieder werden auch immer wieder mit Solos traditioneller Rock‘n’Roll-Art versehen, die zwar an und für sich von spielerischem Talent zeugen, aber keinerlei Sinn im Songgefüge ergeben und stilistisch unpassend wirken. Es entwickelt sich schlicht kein Mehrwert durch diese Solos. Das Drumming ist sicherlich sehr kompetent und tight, schliesslich ist Inferno einer der stärksten Durmmer im Metal, man kann sich aber nicht dem Eindruck erwehren, dass das Drumming spielerisch (über-)simplifiziert und zurückgestuft wurde, um dem Rock-Feeling noch mehr Raum zu geben. Das einzig Bleibende sind musikalische Gimmicks. Das wäre bereits ein böses Omen, wenn diese nicht so unausgereift und geradezu peinlich wären, wie auf diesem Album. Man gewinnt den Eindruck, dass ein Alleinstellungsmerkmal für die Songs gesucht, aber nicht gefunden wurde.

Es gibt kommerzielle Bubblegum Pop-Alben, die einen raueren Klang entfalten. Black Metal muss nicht zwingend wie „Dark Throne“ oder „Nattens Madrigal“ von „Ulver“ klingen, ein bisschen Rohheit darf aber doch präsentiert und auch erwartet werden. Zudem stören einige seltsame Klangelemente, die in ihrer Unpassendheit den Hörfluss geradezu torpedieren.

Das Konzept ist visuell hübsch präsentiert, wie man es sich von Behemoth gewöhnt ist. Inhaltlich lässt sich nur wenig Allgemeingültiges sagen, da leider keine Songtexte zur Verfügung gestellt wurden, dementsprechend nur herausgehörte Textfragmente, Songtitel und Aussagen von Seiten Nergals  konsultiert werden können, was die folgenden Aussagen auf mehreren Ebenen leider unzuverlässig macht. Allerdings verlangt eine so stark konzeptuelle Band wie Behemoth geradezu, dass dies angesprochen wird. Es sei soweit gesagt, dass es inhaltlich ziemlich uninspiriert wirkt, geradezu pubertär, undurchdacht und auch schlicht tausendmal gehört im Black Metal. Was akzeptabel wäre, wenn die Umsetzung wenigstens mit einer kreativen Frische oder kunsthandwerklicher Qualität aufwarten könnte. Diese Tatsache enttäuscht doppelt wenn man bedenkt, dass Nergal sich bisher als grösstenteils durchdachter Texter mit philosophisch-historischem Anspruch bewährt hatte. Anscheinend hatte er aber seinen eigenen intellektuellen Anspruch vergessen, wenn er im Pressespiegel behauptet, dass zitieren der Bibel durch Behemoth sei unglaublich blasphemisch, statt zu realisieren, dass Behemoth, nebst vielen anderen Black Metalern, dies bereits ad nauseam getan haben und es nicht mehr provoziert, ausser vielleicht einem Gähnen.

Die Songs

Das Album eröffnet mit dem Intro „Solve“. Generische Orgeln werden von generischem Gitarrengeschrummel abgelöst, zu dem sich generisches Rumgetrommel gesellt. Und das ist sogar gut so, denn so wird sequentiell der Kinderchor verdrängt. Prinzipiell: Für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich Kinder singen hören möchte, bringe ich meinen Nichten „die Kassierer“-Lieder bei. Zudem hat „Strapping Young Lad“ auf ihrem Album „Alien“ dieses Element bereits viel kreativer und schlicht besser umgesetzt, und dies vor über einer Dekade. Selbiges gilt für „Machine Head“ auf ihrem Album „Unto The Locust“.

Jedenfalls wird dieses Intro von „Wolves ov Siberia“ gefolgt, der wohl beste Song des Albums, relativ betrachtet, welcher mit Drumroll und klassischem Black Metal Riff konkret das Album eröffnet. Das wird dann viel zu oft wiederholt, aber ist an und für sich okay. Der Song insgesamt ist nett, der Songaufbau funktioniert,  man wird nicht von komischen Gimmicks malträtiert und der Text erzeugt keine Hirnkrämpfe. Der Refrain enthält einen Ansatz von Klargesang, der interessant klingt und im späteren Albenverlauf auch wieder leicht aufgegriffen wird, aber gerne weiter hätte ausgebaut werden können.

Das folgende „God=Dog“ ist leider nicht so gnädig gegenüber dem Hörer. Abgesehen von der unwillkommenen Wiederaufnahme des Kinderchors, wirkt der Song wie ein gescheiterter Versuch, mit den typischen Stilelementen von Behemoth einen dekonstruierten Song à la „Death Spell Omega“ zu kreieren. An sich schon eine nette Idee, in der Ausführung klingt das aber höchstens nach einem Life Spell Alpha, aber wenigstens wird das Gimmick des Kinderchors in den Ruhestand geschickt. Wahrscheinlich wurde sich die Band selbst bewusst, wie schlecht das klingt, aber die bösen Schwarzmetaller trauten sich nicht, den armen Kinderchen das Herzilein zu brechen. Textlich kann ich nur sagen, wer mir Klischeephrasen wie „I shall cast the pearls before the swine“ um die Ohren brüllt, der hat bei mir das Gegenteil von einem Stein im Brett. Und überhaupt, warum nicht den Text darauf auslegen, das Hunde toll sind und einen viel besseren Gott abgeben würden, als es der biblische Gott (nicht) ist, das hätte zumindest den Anflug von Originalität. Statt dessen kriegt man den Eindruck, dass Nergal gerade seine zweite Pubertät durchläuft. Und ja, wenn man aufzählen würde, wie oft das Wechselspielchen mit God-Dog bereits in der Kunstgeschichte verwendet wurde, dieser Text  dauerte bis zum jüngsten Gericht. Mal abgesehen davon, dass God-Dog schon abgedroschen war, als es das erste mal niedergeschrieben wurde.

So werden mit den ersten zwei Songs die beiden grundlegenden Modi für alle folgenden Songs etabliert, entweder schlicht und funktional hin zur Langeweile, oder gescheitertes Experimentieren. „Bartzabel“ zitiert zum gefühlten 10‘000 Mal die Schriften von Aleister Crowley, während ein Männerchor versucht „Batushka“ nachzuahmen. Dieses Gimmick überlebt nicht einmal für einen zweiten Song, im Gegensatz zu den unglaublich seltsam nervig-unpassend produzierten Tom-Drumrolls auf der zweiten Albumhälfte, die das musikalische Äquivalent einer Ohrfeige mit dem Panzerhandschuh darstellen. Und sonst lässt  sich effektiv nicht wirklich etwas vertiefendes zu den Liedern sagen ausser „Dieses Songelement  hat Band X bereits besser gemacht“ oder „Textfragment Y ist kreativ bankrott“. Man könnte sich zum Abschluss damit befassen, dass der Albumtitel angeblich eine (seltsam interpretative) Paraphrase der Bibelstelle „Römer 5:8“ sein soll, aber ich mag mir ehrlich gesagt nicht mehr Gedanken zu diesem Album machen, als Behemoth selber.

Und überhaupt, dann erwähne ich, dass die Band so zuversichtlich gegenüber der Logik ihres Konzeptes ist, dass sie einen Song namens „Rom 5:8“ geschrieben haben. Und ich schliesse damit ab zu erwähnen, dass Marduk, vor über 10 Jahren, bereits ein ganzes Album namens „Rom 5:12“ veröffentlichten, die vier Verse jetzt den Braten auch nicht fett machen, und der Song mich an irgend eine andere Band erinnert. Schliesslich muss diese Review ähnlich oft bereits bekanntes Territorium beschreiten, wie das Album „I Loved You At Yor Darkest“.

Bewertung

Ich kann Behemoth in ihrer dunkelsten Stunde leider nicht lieben. Das Album wirkt in seiner Gesamtheit, als wenn es im Bewusstsein erschaffen wurde, dass die vorhandenen Ideen nicht zufriedenstellend umsetzbar sind, man es aber nach längerer Arbeitsphase einfach abschliessen wollte, da man von Anfang an unter Ideenmangel litt (Ähnlich diesem Review). „ILYAYD“ hat nicht einmal den Anstand, nach dem x-ten Durchhören wenigstens ein musikalisches Stockholm-Syndrom auszulösen. Nergals momentaner Fokus auf persönliches wäre an und für sich eine spannende Idee, weisst er ja eine bewegte Biographie vor, die geradezu danach schreit, im Sinne von Satanismus und Religionskritik philosophisch verhandelt zu werden. Man könnte jetzt auch durchaus spekulieren, dass die mangelnde Qualität intentional ist und man auf diese Weise den Fall Luzifers spiegeln wollte. Aber selbst wenn, würde das nichts am Qualitätsmangel ändern, oder daran, dass das Präsentierte einfach arg undurchdacht wirkt und der Eindruck entsteht, dass dem persönlichen Fokus Zeit und Energie geopfert wurde, die beim Songwritingprozess dringend benötigt worden wäre. Fazit: Dieses Album auslassen, vergessen und das Geld in die neuen Heroen des Black Metal investieren, wie Imperial Triumphant, Rebel Wizard oder Batushka. Diese Songs kann man höchstens an Konzerten für Bier- und Rauchpausen nutzen.

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