Review


Cerebral Enema, Fetophagia, Jehacktet, Endocarditis & Morbier Danger
Für eine gore-ige Editon des Copygrind luden die Veranstalter ebendessen eine Auswahl an fünf Gore- und Deathgrind bands aus Nah und Fern in’s APAKultA. Cerebral Enema, Fetophagia und Endocarditis steuerten ersteres bei, und Morbier Danger und Jehacktet letzteres.
Im fahlgelben Licht des APAKultA kündigten Morbier Danger ihr Konzert mit „It’s Cheese Time“ an – Zeit für Käse. „Cheesy“ wie sonst im Metal ist es aber nicht – abgesehen von einigen Songtiteln – und wer Einhörner, Regenbögen und Heldentaten erwartet, wäre bitter enttäuscht. Was hier auf der (Käse-)Platte landet, ist Deathgrind, und was die Französisch-Schweizer Kollaboration besingt, ist der Käse. An dieser Edition des Copygrinds boten sie ihr Debüt „Briescard Destin“ in Gänze an, sowie eine Auswahl an Songs von ihrem kürzlich veröffentlichten „Faux Mage d’Italie„. Auf der (Käse-) Platte: Tête des Moines („Chaussettes aux Moines“), Babybell („Tour de Babibel“), Gruyere („Grui Hier et Gemaine“), Feta („Feta Prière“), Parmesan („Parmi Jeannot Lapin“), Stracciatella („Stracciatesla“)… Der Vacherin, dessen Logo die Mütze des Gitarristen verziert, schien das Duo (noch) nicht inspiriert zu haben. Gut verträglich, auch mit meiner Laktoseintoleranz.
Mit Endocarditis geht’s in die Ferne – die Band kommt aus Rennes in der Bretagne. Wieder zu zweit, mit Schlagzeug und Bass, wieder zwei Mics – diesmal aber gleich beide beim Bassisten, und eine davon mit Pitchshifter, wie es sich für Goregrind bzw. -noise gehört, das andere für Ansagen und ein wenig Abwechslung bei den Vocals. Ersteres tönt wie die Kreuzung des MGM Löwens (der eigentlich die Stimme eines Tigers hat) und einer Toilette. „Alles andere ist keine Musik“ ertönt es aus dem Publikum. Der Auftritt beim Copygrind ist ihr erster in der Schweiz, aber nicht ihr erster mit den zwei Schweizer Bands auf dem Line-Up des Copygrinds. Mit Morbier Danger und Fetophagia traten sie am Tag zuvor in Besançon in Frankreich auf. Letztere spielen später am Abend, und deren Gitarristen Ross wurde aber für den letzten Song ihres Sets schon für die Vocals auf die Bühne geboten, um zusammen mit Endocarditis ein Last Days of Humanity Cover zu spielen. Zudem ein Geniestreich des Duos, dass sich nach ihrem Set zeigte: Dass ihre Shirts ein selbstgemaltes Sujet ziert und nicht das genre-übliche Gemetzel – denn die gingen weg wie frische Wecken, einmal sogar mit Unterschrift der Band, und anziehen darf man’s auch bei einem Kindergeburtstag.
Mit Jehacktet gibt’s wieder Deathgrind. Die Band aus Berlin tritt heute ohne Bassistin auf, die momentan in den USA ist – mit Flugzeug ist New York übrigens weniger weit weg als die 9-Stunden Autofahrt, die Jehacktet für ihren Gig hinter sich hat. Anmerken liessen sie sich das aber nicht, der Schlagzeuger schnitt durchgehend Grimassen, der Gitarrist sprang herum wie ein Häschen und der Vokalist tänzelte in seiner Ecke der Bühne rum wie ein aufgeregtes Dressurpferd. Auf die Frage „wie viel Bock“ das Publikum hat, kam nur eine schwache Antwort. Sagen wir mal, alle waren sprachlos vor Ehrfurcht – denn die Schweizer Zurückhaltung kommt oft nicht so gut an, wenn man mehr erwartet, vor allem nach einer 9-stündigen Autofahrt. Gemundet hat’s trotzdem.
Mit Fetophagia kehren wir zum Goregrind und -noise zurück. Das Duo aus dem Tessin bemannt Schlagzeug und Gitarre, und teilt sich das Stimmämtchen. Gleich zu Anfang ihres Sets stieg die Gitarre aus – davor hatte man auch während dem Soundcheck gewarnt. Begleitet von einem Solo von Schlagzeug und Gegurgel wurde das Problem aber schnell behoben und der Rest des Sets verlief reibungslos. Der Moshpit hatte der Unterbruch auch nicht gestört, und sie weitete sich immer mehr aus. Fetophagia überrascht mit einer Menge Dynamik und sowohl etwas langsameren Nummern wie „Terrible Concentration of Fermented Flesh under the Tiles“ als auch schnelle Songs wie „Bibs of Gutted Lungs“. Ihre Setlist repräsentiert ein kleiner Ausschnitt ihrer extensiven Diskografie, die sich über fast um die 60 Splits und EPs erstreckt – nicht aussergewöhnlich für eine Goregrind Band, aber dennoch stattlich, denn Fetophagia gibt’s erst seit 2022. Nach der Moshpit zu urteilen, haben sie den Gusto des Publikums getroffen, aber der Band ist’s nicht genug – sie wünscht „mehr Gewalt“. Zu Ende wurde der Gitarrist von Endocarditis auf die Bühne aufgeboten, um ebenfalls Vocals für Fetophagia beizusteuern. Und während das Publikum langsam den Saal verlässt, spielt ein Sample, das mich wieder an meine Laktoseintoleranz erinnert. Für die Ambiente.
Zu guter Letzt – Cerebral Enema, ebenfalls aus Berlin, um die Hirnwindungen nochmals vor Ende gründlich durch- und auszuspülen. Cerebral Enema spielt „White Thrash Goregrind“, und inszeniert sich dementsprechend mit Sturm- bzw. Skimaske, Goldketten und Sportsonnenbrillen mit Seitenschutz, ebenfalls in Gold, damit das Bühnenlicht nicht so blendet. Das Hammer King T-Shirt komplettiert den Look des Gitarristen („Das ist Power Metal aber echt gut, nicht so wie Sabaton“), und passt farblich gut zum Licht und der restlichen Ausstattung. Der „Trash“-Teil ihrer Selbstidentifizierung kommt mit jeder Ansage und Songerklärung weiter zur Geltung. „Wie komm sie nochmal, sie ist wieder hier“ zu „Paranormal Virginity“, „Wir müssen alle Korpulenten im Publikum enttäuschen“ zu „Keine Ketten für die Fetten“, geschmackvoll auf KKFDF abgekürzt, „Rettungsgassen nein danke!“ zu „Gaffen um im Weg zu Stehen“. Dazwischen ein „bitte nicht googeln“ zu „Baby Pillowfight“ – habe ich nicht gemacht, und habe ich nicht vor, aber trotzdem rücksichtsvoll. Für die Rettungsgassenabolitionisten ist es ihr erster Auftritt in der Schweiz, und sie ergriffen die Gelegenheit, um uns aus unserem „schönen Land“ wegzulocken und uns zum Berlin Desecration Fest Ende Mai einzuladen. Jehacktet wird auch da sein.