Review


Relics of Humanity, Dekathexis & Ailurophobia
Zur 20ten Edition des Slamcults bespielen Relics of Humanity und Dekathexis das AKuT in Thun, mit Lokalunterstützung von Ailurophobia.
Vor Konzertbeginn stehen die Türen und Fenster des Konzertsaals auf Durchluft. Denn, entgegen meiner früheren Behauptung, dass nur der Kollaps des Golfstroms die Aussentemperaturen auf ein genug tiefes Niveau bringen kann, um ein Death Metal Konzert im AKuT im August gerade noch überlebbar zu machen. Ganz so dramatisch ist es nicht, und ein bisschen Regen und Stosslüften ist eigentlich genug, um die Kühlgrenztemperatur nicht das Limit des menschlichen Körpers übersteigen zu lassen.
Ailurophobia eröffnet den Abend einem noch gut gekühlten Konzertraum. Das ändere sich aber schnell, denn nachdem sie vom Tontechniker aufgefordert werden „etwas Lärm zu machen, damit die Leute kommen“. Das ist das zweite Mal, dass ich die Band aus der Romandie live sehe, und sie machen wie beim ersten Mal schon eine gute Figur. Diesmal gefällt es mir sogar ein wenig besser, denn der Sound kommt satter und brutaler daher als das erste Mal; und Ailurophobia scheint bei ihrem nun vierten Gig überhaupt ein besser eingespieltes Team zu sein. Was auch positiv überrascht: Der Vokalist verzichtet auf die Hasstriade auf Katzen. Liedtitel wie „Purr Evil“ und, mit etwas Altgriechischkentnissen, der Bandname (ailuro = Katzen; phobia = Angst), suggerieren es schon. Trotzdem – auch die Ansagen sollen geübt sein; und „ich will einen Witz machen, aber der wäre so heute nicht mehr erlaubt“ kommt nicht besonders gut an, jedenfalls bei mir. Den Aufruf, viel zu trinken weil’s so heiss ist, ist aber trotzdem gut. Die Band schliesst ihr Set mit „Lucifer in the Sky with Diamonds“ ab. Wie die meisten vorgespielten Songs ist es (noch?) nicht veröffentlicht – von ihrer ersten EP „All Humans Must Die“ spielten sie nur „Humankind“ und „The Need to Believe“, der Rest ist neues Material. Ich hoffe auf bald mehr – und wenn die Band für Merch empfänglich ist, würde ich mir ihr EP Cover auch auf einem T-Shirt wünschen, denn alles mit süssen Katzenbabies verkauft sich sicher gut.
Dekathexis ist als nächstes dran, mit ähnlicher Pünktlichkeit wie die Deutsche Bahn. Zwar sind sie trotz „7 bis 8 Stunden Anfahrt“ pünktlich genug in Thun angekommen um noch das „schöne Wetter“ zu geniessen und schwimmen zu gehen, beim Soundcheck gibt es aber trotzdem Verzögerungen. Grund dafür ist kein Brandanschlag auf essentielle Infrastruktur, sondern der Ausstieg eines ihrer Mitglieder, den Sub Kontakt 7, ein Bass Plugin. Darum dauert auch der Soundcheck ein bisschen länger, und wer wie ich überpünktlich ins Innere des AKuTs gekommen ist um es „vorzuwärmen“, kommt in den Hörgenuss von den kläglichen letzten Atemzügen des Bass Plugins. Ich hoffe, dass man es bis zum Deathfeast Auftritt in einer Woche wiederbeleben kann. Irgendwann entscheidet man sich, ganz ohne Bass zu spielen. Auch wenn ihre Performance hervorragend ist und die Musik gut gefällt, fehlt das tiefere Register und Dekathexis tönt etwas „dünn“. Wie schon Megan Trainor gesungen hat: „I’m all about that bass“. Trotzdem – gute Show, auch obwohl die Band über das Wetter meckern: „Thun ist vielleicht eine ganz schöne Stadt, wenn das Wetter nicht so scheisse ist“. Man muss hier anmerken, dass der Regen eigentlich dazu beigetragen hat, dass man dieses Konzert überhaupt lebendig beiwohnen kann. Und der Schlagzeuger hätte innerhalb von einer und nicht fünf Minuten sein Shirt vollschwitzt.
Zu guter Letzt – Relics of Humanity aus Belarus. Die Brutal Death Metal Band hat zuvor mit Pyrexia Kontinentaleuropa bereist, und während ihre Tourkollegen nun auch Grossbritannien bespielen, kommt Relics of Humanity nach Thun. Anfangs Jahr ist ihr drittes Album „Absolute Dismal Domain“ erschienen, von dem sie hier einige Stücke präsentieren, wie zum beispiel „Smoldering of Seraphim“. Aber in einem leicht anderen Lineup: Ihr Drummer hat die Band verlassen und wird live von Schlagzeugwunderkind Nikhil Talwalkar ersetzt; Alexandre Giorgy von Darkall Slaves springt für den Bassisten der Band ein, der Visaprobleme hatte. Ihre älteren Songs wurden aber genauso gefeiert, wie zum Beispiel „Immortally Dethroned“, ein Song von ihrem ersten Album „Guided by the Soulless Call“, das 2012 erschienen ist. Den Aufruf, „alles zu geben“ kommt das Publikum nur schwer nach, denn mit der allgegenwärtigen hitzeinduzierten Lethargie reicht es nur fürs Headbanging. Mit positivem Nebeneffet, denn mit genug langen Haaren kühlt es die Umstehenden ab. Später reicht es dann doch für die eine oder andere Circlepit, und Relics of Humanity bedankt sich beim Publikum für den Einsatz, und bei der Crew für die Organisation: „wir haben viel Gutes über das SlamCult gehört, und alles stimmte – grossartiger Ort, grossartiges Publikum.“ Ich stimme dem zu – und wieder mal ein grossartiges Line-Up mit drei grossartigen Bands, die drei grossartige Auftritte geliefert haben. Und grossartiges Wetter.