Review


Aversions Crown, Psycroptic & Within Destruction
RĂŒckblick Konzert
Liebes Kiff; Metal-UniversitĂ€t der Schweiz; wird es eigentlich nicht langweilig ĂŒber Jahre hinweg Garant fĂŒr Konzerte von vorwĂ€rtsdenkenden, technischen Extreme Metal Acts zu sein? Nicht? Okay cool. Ja, schon wieder , immer wieder, prĂ€sentiert das Kiff in Aarau ein Technical Death Metal Tourpackage der Extraklasse. Und gibt uns dann auch noch die Möglichkeit, ohne grosse UmstĂ€nde in gepflegter AtomsphĂ€re ein sehr cooles GesprĂ€ch mit Jason, SĂ€nger von Psycroptic, zu fĂŒhren. Das nĂ€chste Mal denken wir vielleicht sogar daran, die Veranstalter ĂŒber unsere InterviewplĂ€ne direkt aufzuklĂ€ren, damit wir die gutmĂŒtige SpontanitĂ€t der Location nicht ĂŒberstrapazieren. Aber genug impliziter Schleim, auf zu den Berichten ĂŒber böse Bands (mit gewohnt gutem Klang).
Hollow World
Der Mangel einer dazugehörigen Fotogallerie wird es euch wohl schon verraten: Den Grossteil des Gigs fand leider in Abwesenheit von Plekvetica statt. Es fiel unserem Interview mit Jason und den dazugehörigen Abauarbeiten zum Opfer. Als Entschuldigung direkt der Link zu ihrem Bandcamp-Profil, mit explizitem Aufruf diesem zu folgen: https://hollowworld.bandcamp.com/
Wirklich Schade, von den Aufnahmen extrapolierend hÀtte die Band das musikalische Potential gehabt, nach den beiden Co-Headlinern auf dem Audiosiegertreppchen zu landen. Modern Death Metal als Symbiose von technischer Finesse, brachialen sowie groovigen Momenten und atmosphÀrischen Parts mit symphonischen Anleihen. Mit wesentlich harmonischerem Songwriting, als man aus dieser Mixtur heraus zu lesen glaubt.
Hadal Maw
Der wohl passendste Name des heutigen Abends. Abgeleitet von der Hadal Zone, oder schlicht Tiefsee, oder einfach der Punkt des Weltozeans, welcher von weniger Menschen besucht wurde als der Mond. Jedenfalls wird die dargebotene Klangkulisse mit diesem Namen gut beschrieben. Die Gitarren sind so tiefgestimmt wie der Marianengraben und die Melodien, angelehnt an Frederik Thordendal, klingen so fremdartig wie die dort anzutreffende Flora&Fauna. Hinzu kommt ziemlich verjazztes Drumming und ein SĂ€nger mit angenehm giftiger Stimme und einer BĂŒhnenprĂ€senz, welche den Zuschauer angenehm perplex macht. Irgendwo verortet zwischen Cock Rock-HĂŒftschwĂŒngen, bedrohlichen Posen und PublikumstuchfĂŒhlung und stellt wohl das Highlight der Band dar.
Die Musik der Band ist eine sphĂ€rischere Iteration des klassischen Meshuggah-Sounds. In der RealitĂ€t, zumindest an diesem Konzert, will das aber nicht so wirklich funktionieren. Wenn die Band relativ geradlinige Grooves auspackt oder die bereits erwĂ€hnten Melodien, dann funktioinert das noch einigermassen. Meistens entfaltet sich aber ein wummernder Klangteppich, ĂŒber welchen das Drum verspielte Patterns legt, die aber nicht erkennbar mit den Gitarren korrelieren und dadurch isoliert und unpassend wirken. Man kann als Zuschauer auch ab und an beobachten, wie die Gitarristen Licks etc. spielen, die aber in der schieren Tiefe der Musik weggespĂŒlt werden. Vielleicht liegt es am Mischer oder an der Anlage, aber ich hege meine Zweifel an dieser These.
Es scheint, dass schlicht jeglicher differenzierter Klang von den tiefen Tönen weg gespĂŒlt wird. Und wenn man bedenkt, dass andere Bands ultratiefe und hochkomplexe Musik stimmig darbieten können, dann drĂ€ngt sich die Frage auf, ob dies bei Hadal Maw ein Problem des Songwritings an sich ist. Aber immerhin sehen die Gitarren sehr cool aus.
Within Destruction
âTrue Slamâ. Jedenfalls folgend der Selbstdeklaration der Band. In realis klingt die Band eher nach âTechnical Slamming Deathcoreâ. So werden einem nicht nur konstant Slams, Break- und Beatdowns um die Ohren gehauen, sondern diese Songwriting-Elemente werden auch tatsĂ€chlich in Form von dynamischen Songs prĂ€sentiert, mit einer gewissen technischen Rafinesse. Und wĂ€hrend sich die Songs abnĂŒtzen, da immer wieder die gleichen Schemata durchexerziert werden, so wird trotzdem die Tanzwilligkeit des Pubikums heraufbeschworen. Es reisst halt schon in den Moshpit, gerade auch wegen dem sympathischen Auftreten der Slowenier. Respektive ihres SĂ€ngers, die Gitarrenfraktion ist gar statisch und scheint ein bisschen Opfer einer aufgesetzten Coolness zu sein. DafĂŒr wiederum brilliert der Drummer mit sichtbarer Spielfreude und einem âherzigâ minimalistischen Drumkit, aus dem er ein Maximum hervor trommelt. FĂŒr Fans des Genres sicher ein guter Griff, und wenn es auch gewissen Slam-Puristen an PrimitivitĂ€t mangeln mag, so dĂŒrfte es einige geben, die das verhĂ€ltnismĂ€ssig dynamische Songwriting der Band angenehm erfrischend finden.
Aversionâs Crown
AtmosphĂ€rischer Deathcore mit viel Verspieltheit und fremdartiger SphĂ€rik, passend zur ausserirdischen Thematik. Die Aliens bei Aversionâs Crown telefonieren aber nicht einfach nach Hause. Sie schreien in den Hörer und rufen ihre grossen BrĂŒder; bewaffnet bis an die ZĂ€hne; im GepĂ€ck eine ordentliche Portion Dresche. Und das Publikum scheint heute grösstenteils aus masochistischen Alien-Verschwörungstheoretikern zu bestehen, so wie Aversionâs Crown gefeiert wird. Wenn man jetzt mal die allgegenwĂ€rtige sonntĂ€gliche Verschlafenheit subtrahiert. Nebst der ĂŒblichen Subtraktion helvetischer GemĂ€chlichkeit. Die Band schien jedenfalls ein bisschen mehr Action vor der BĂŒhne erwartet zu haben, und hĂ€tte dies durchaus auch verdient. Nicht nur weil sie extrem tight und brachial auftreten, sondern schon alleine weil sie eine der exquisitesten GitarrenklĂ€nge aller Zeiten haben. Aber gemĂŒtliches Zuhören und -Schauen wird generell unterschĂ€tzt, und so erfreut man sich nebst der akustischen Glanzleistung auch an einer schön minimalistischen Lichtshow. Welche die anwesenden Fotografen ob der geringen LichverhĂ€ltnisse wohl ziemlich gewurmt hat. Fototechnisch Desinteressierte aber erfreuen sich an einer guten Show mit hervorragend geschriebenen Deathcore-Songs, welche durch die Live-Darbietung eine gewisse zwingende Note erhalten, die auf den Aufnahmen etwas fehlt. Wenn dieses potentielle Manko auch via Live-Sound nicht komplett behoben wird. Und auch nicht muss, zu Gunsten der einzigartigen AtmosphĂ€re der Musik.
Als kleines extra durfte man als Besucher bei dieser Band sehr schön die Magie eines guten Mischers beobachten. Zu Beginn des ersten Songs wummerte der Sound noch und ĂŒberschlug sich leicht, doch ein geschultes Gehör und ein paar gekonnte Griffe spĂ€ter konnte man noch vor Ende des ersten Songs erstklassigen Klang erleben, und zwar vorne wie hinten. Nur so nebenbei bemerkt.
Psycroptic
Kommen wir zum eigentlichen Highlight des Abends, den absolut einzigartigen Psycroptic (mit deren SĂ€nger wir euch ein Interview prĂ€sentieren können, umâs nochmal zu erwĂ€hnen). Unvergleichliches Gitarrenspiel, einzigartiges Zusammenspiel, eigenstĂ€ndige Vocals auf technisch höchstem Niveau und dabei beseelt von zwingendem Groove. Das ganze extra-tight dargeboten, versehen mit choreographierter Lichtshow und somit die Vorteile einer Darbietung mit Backtrack, und somit Clicktrack, voll ausnĂŒtzend. Fokussiert wird sich primĂ€r auf das neuste Album, mit einigen RĂŒckgriffen in die Vergangenheit, bis hin zum Album â(Ob)servantâ. Einigen Menschen mag hier das noch Ă€ltere Material fehlen, welches hĂ€rter aufs Gaspedal drĂŒckte. Allgemein betrachtet ist es aber eine gute und erwĂŒnschte Entscheidung, sich auf das Material zu fokussieren, welches ihren einzigartigen âTech Groove Metalâ verkörpert. Denn wo viele Bands nicht mal ein Alleinstellungsmerkmal hinbekommen, da bietet Psycroptic solch ein Plethora, dass man sich auch gleich in âUnique Selling Pointâ umbenennen könnte. Jedenfalls wird das Material live solide, fehlerlos und routiniert dargeboten, wenn auch durch das sehr originalgetreue Spiel leider die Möglichkeit fehlt, eventuell die kleinen Ruckler im Songwriting live aufzupolieren. Den Instrumentalisten kann man zudem ĂŒbertriebene Statik vorwerfen, aber die Seelenruhe, in der dieses komplexe Songmaterial dargeboten wird, erhöht irgendwie auch das Beeindruckende an dieser Band. Und Der SĂ€nger gleicht die Gechilltheit seiner Musiker eh durch seine sympathisch aggressive PrĂ€senz sehr gut aus. Schade nur, dass einige Besucher das Memo nicht erhalten haben, dass man nach einem Kiff Besuch eigentlich ĂV-technisch sehr gut positioniert ist. So kann man der Band, trotz aller Sympathie, eine leichte EnttĂ€uschung ob der gelichteten Reihen anmerken. Der musikalischen QualitĂ€t tut dies aber keinen Abbruch. Man zelebriert trotzdem Spielfreude und headbangenderweise fallen einem dann die kleinen Beleidigungen des Konzertalltags eh nicht mehr auf, und man schwelgt mental schlicht in einem sehr gelungen Auftritt.
Banausen, Kulturbanausen!, seid ihr trotzdem, wenn ihr vor dem Aufritt von Psycroptic das Kiff verlassen habt. Auch wenn ihr wirklich beschissene Verbindungen und keine Wahl hattet.
Fazit
Wie gewohnt ein gelungener Konzertabend im Kiff, mit all den gewohnten Superlativen, auch wenn die Publikumszahl zu wĂŒnschen ĂŒbrig liess. Nicht nur spezifisch wĂ€hrend Psycroptic, sondern ĂŒber den ganzen Abend betrachtet. Warum genau das sonntĂ€gliche Chillen nicht mit einem guten Live-Konzert kombinierbar ist, das ist unverstĂ€ndlich. Und zwar nicht nur mir unverstĂ€ndlich, sondern wirklich vollstĂ€ndig komplett universell absolut omnidirektional unverstĂ€ndlich.
Kulturbanausen.