Review


Benighted, Defaced, Science of Disorder & Avalanche | Night of Death
Benighted aus Frankreich bring mit der Lokalunterstützung von Defaced, Avalanche und Science of Disorder die Kulturhalle Sägegasse zum Kochen.
Ich habe meine geplante Zugverbindung nach Burgdorf verpasst und renne zur Kulturhalle Sägegasse. So wie ich „rennen“ kann, also nicht sehr gut und nicht sehr schnell – sowieso nicht, und besonders nicht, da ich vor knapp einer Woche das Vergnügen hatte, eine Treppe runterzustürzen und mir das Band zu überdehnen. Dabei hätte ich auch auf den Bus warten können – bei der Ankunftszeit von 19:12, und einem Ankunftsort ein paar Meter vor dem Eingang der Konzerthalle entfernt, wäre ich immer noch rechtzeitig dagewesen, um den Soundcheck von Avalanche mitzubekommen (mehr Gitarre, mehr Bass…). Was auch für den Bus sprechen wurde: mein Fuss fängt vom Stehen langsam an zu kribbeln, aber leider gibt es keine Sitz- und oder Hochlagerungsmöglichkeiten. In der Zwischenzeit sind auch mehr Leute eingetrudelt, vor der Bühne ist es zwar nach wie vor etwas leer, aber schon bald zieht es das Publikum weg von der Bar und nach vorne – Avalanche fängt an zu spielen. Die Metalcore Band aus nächster Umgebung – Rüegsbach liegt kaum fünf Kilometer von Burgdorf entfernt – kann sowohl beim lokalen Publikum punkten, als auch bei einigen, die von weiter her angereist sind. Einige führen ihr akrobatisches Können vor, vor allem – aber nicht nur – während der Vielzahl von Breakdowns, die Avalanche uns serviert. Der Allerletzte wird fast vergessen, aber nur fast, und die Band hängt nach dem geglaubten Ende noch eine weitere Minute für Spinkicks an.
- Intro
- Operation Pamplona
- Scars
- Superior Enemy
- Spin
- Nightmare
- Worthless being
- Uno
- Mexican Standoff
Weiter geht’s mit Science of Disorder. Die Band aus Lausanne hat einen ein wenig weiteren Weg hinter sich, konnten aber trotzdem auf ebenfalls aus ihrer Heimat angereisten Unterstützung zählen. Trotz der 20 Minuten Verspätung von Avalanche starten Science of Disorder fast pünktlich – mit einem Blitzsoundcheck verringern sie die Verspätung auf fünf. Ihr Vorteil: Sie haben keinen Drummer dabei, und das Drumkit bleibt verwaist – etwas weniger zum Kalibrieren also. Das Schlagzeug ab Band hat zwar hörbar weniger Kraft als Live-Version der anderen Bands, die sehr rhythmisch fokussierten Riffs von Science of Disorder lassen aber im Rhythmusdepartement keine Wünsche offen. Und die im Takt aufleuchtenden Bühnenlichter lassen fast Bewegung hinter dem Schlagzeug erahnen – ich ertappe mich dabei, trotzdem immer wieder nach hinten zu schauen, um nochmal nachzusehen ob nicht doch wer hinter dem Drumkit die Drumsticks schwingt. Science of Disorder spielt Melodiöser Death Metal mit einigen Metalcore- Groove- und Djenteinflüssen, letzteres vor allem in ihrem neuesten Material. Eine positive Überraschung für mich ist der grossartige Klargesang des Vokalisten, der die Growls gut ergänzt – hier hervorzuheben: „Rabid Dog“ auf ihrem Album „Apoptose“ zu finden. Der teilweise eingesetzte Vibrato würde auch Bestens zu einer Gothic Metal Band passen – falls Science of Disorder an die Anfänge ihrer Vorgängerband Soulless zurückkehren wolle, stände hier nichts im Wege. Die klare Aussprache hat aber auch seine Nachteile – der Song „Mine“ – „you’re mine, and I don’t share“ und „whatever happens, you asked for it“ – käme bei mir besser an, wenn ich die Lyrics nicht so genau verstehe, und wenn der Sänger dabei nicht auf das Publikum zeigt. Egal, der Rhythmus lädt trotzdem zum Tanzen ein (oder mitwippen, in meinem Fall), und die Energie im Saal („Do you still have some energy?“) ist nach wie vor da. Auch der Setcloser „Hollow Games“, der langsamer, melodiöser und mit mehr Solos als der Rest daherkommt, hält nicht vom Two-Stepping ab. Mitklatschen scheint aber eher weniger zu funktionieren – der Rhythmus liegt nicht allen.
- Sickness
- Half a Life
- Fallen Angel
- Rabid Dog
- Choke
- Crawling Chaos
- Mine
- Let Me Bleed
- Carrions
- Hollow Games
Als nächstes dran: Defaced. Die Death Metal Band aus dem Emmental ist wie Avalanche auch ganz aus der Nähe. Für die „Night of Death“ gibt’s viel Neues von Defaced zu hören – bald soll es ein neues Album geben, das Dritte nach einer Dekade Pause. Wann genau? Das getrauten sie sich noch nicht zu sagen – „es ist noch auf dem Weg, aber bald da.“ Einige Songs gibt’s jetzt schon zu hören, ein Grossteil der Setlist besteht aus brandneuem Material, gespickt mit einigen Liedern aus ihrem letzten Album „Forging the Sanctuary“, das 2015 erschienen ist. Was zu erwarten ist? Death Metal mit melodiösen Riffs, teilweise etwas Black Metal angehaucht und atmosphärisch, aber immer brutal. Dem Publikum gefällt es, auch wenn es etwas Aufforderung braucht um es auch zu zeigen. Dafür springt der Vokalist in’s Publikum, um etwas Bewegung reinzubringen. Der Abgang ist aber nicht so elegant – er bleibt an einer rumliegenden Tasche hängen. Einziger Kritikpunkt – und das nicht an der Band, sondern am Mix: Irgendwann in der zweiten Hälfte des Sets verschwinden die Vocals fast komplett zwischen den Instrumenten und die Stimme waren zeitweise unhörbar. Der allerletzte Song „Culling“, ebenfalls neu, bietet sich noch für eine letzte Circlepit vor dem Hauptakt an – und einen kleinen Monolog des Vokalisten, denn man aber kaum bis gar nicht versteht.
- The Antagonist
- I, The State, Am the People
- Rapture Through Bondage
- Anthem
- As My Will
- Venomous Eden
- Betrayer
- Icon
- Culling
Last but not least: Benighted. Diese sind von ein wenig weiter angereist – sie kommen aus Frankreich. Die vier sind vor ein paar Monaten schon mal in der Schweiz gewesen, und sind beim Abyss Festival aufgetreten – „es ist jedes Mal eine grossartige Party in der Schweiz“. Nach zwei Songs und der Vorstellung ihres neuen Drummers Matthias – er ist erst 21 und spielt das Schlagzeug seit vier Jahren. Um ihn zu Piesacken ist der nächste Song noch schneller – und das ist „Nothing Left to Fear“ überraschenderweise wirklich, normalerweise nehmen es Bands nicht so ganz ernst mit dieser Ansage. Benighted präsentiert vor allem Material ihres neuesten Albums „Ekbom“, das letztes Jahr erschienen ist. Dazwischen sind auch einige ältere Songs zu hören. Zum Beispiel „Collection of Dead Portraits, zu dem die Band das Publikum dazu auffordert, schon vor Songanfang im Kreis zu rennen, was auch einige gerne machen – aber nicht besonders lange, und die meisten wenden sich schon kurz nach den ersten Tönen des Songs dem Two Stepping zu, oder wippen den Kopf mit. Der Aufruf hat aber trotzdem was gebracht – es wird danach etwas wilder im Publikum, und alle sind bestens dazu vorbereitet, dazu für „Scapegoat“ ihren „Nacken zu brechen und alles andere auch“. Das erinnert mich daran, wie froh ich bin das ich mir das Band nur überdehnt habe, und mir nicht den Knöchel gebrochen zu haben. Mit Krücken lässt es sich schlecht fotografieren, jetzt kann ich ohne Hilfsmittel rumhinken. Die Gitarrenprobleme der Band kamen mir ganz gelegen, ich kann (ganz langsam) auf die andere Seite der Bühne gehen. Schnell sind sie wieder gelöst, und die nächste Anweisung der Band folgt: Den Songtitel ihres nächsten Songs so laut wie möglich schreien, „es sei ganz einfach, sogar ich kann es und ich bin Franzose“. Das „Slut“ des Publikums klingt etwas zögerlich, aber der Vokalist findet es gut, und lädt die Menge bei den letzten paaren Songs nochmal zum Mitsingen ein.
- Scars
- Reptilian
- Nothing Left to Fear
- Carnivore Sublime
- Collection of Dead Portraits
- Implore the Negative
- Morgue
- The Grotesque
- Scapegoat
- Martyr
- Metastasis
- Slut
- Experience Your Flesh
- Let the Blood Spill Between My Broken Teeth
Die erste Edition der „Night of Death“ war ein gelungener Abend, der die Kulturhalle Sägegasse zum Beben brachte und sowohl Genregrössen als auch lokalen Bands die Möglichkeit gab, sich auf der Bühne zu beweisen.