Review


Death Feast Open Air 2025
Vom 21. bis zum 23. August verwandelt sich das Juz Andernach in das „brutalste Festival in Europa“. Auch dieses Jahr zeigt sich, dass das Deathfeast seinem Namen und seinem Ruf gerecht wird – angefangen mit einem hervorragendem Line-Up mit Headlinern wie Brodequin, Gorgasm, Angelmaker und Cephalotripsy, bis zu einer minutiös geplanten und ausgeführten Organisation.
Donnerstag
Bewaffnet mit Kamera, Sonnenschutz und meine besten kulinarischen Sprichwörter, Redewendungen, Wortspiele und sonstige literarische Stilmittel begebe ich mich aufs Festivalareal. Was mich erwartet: Ein Death Metal Entrée mit Dekathexis, Zwei Portionen Slam aus Frankreich mit Cryogenical Excision und Devour the Fetus, eine dreifache Ladung Tschechischen Grind mit Spineless Fuckers, Mincing Fury und dem Hauptgang Gutalax, unterbrochen von veganem Deathcore von To The Grave und gefolgt vom zweiten Hauptgang Angemaker. Das Sahnehäubchen obendrauf: Relics of Humanity.
Vor dem Merchzelt des Festivals stehen seit der Öffnung des Geländes um Punkt 15:00 die Besucher Schlange, um eines der Limited Edition Festivalshirts zu ergattern. Letztes Jahr waren ein Teil der Shirts schon am ersten Tag ausverkauft und mussten nachgedruckt werden. In der Schlange hat es aber ein genügend guter Blick auf die Bühne, um auch bei Festivalsanfang nichts zu verpassen. Ich mag die AI verseuchten Teddybären aber nicht genug, um dafür anzustehen.
Dekathexis aus Deutschland eröffnet das Deathfeast. Nur eine Woche zuvor waren sie auf Besuch beim Slamcult in Thun. Dort hat ihr Bass Plugin nicht mitgespielt. Schon vor der Show wird mir gesagt, dass es jetzt einwandfrei funktioniert. Und tatsächlich – nebst den ebenfalls versprochenen Bassdrums und Blastbeats gibt’s auch einen Bass zu hören. Zwar schwächelt der Sound noch während dem Setopener „Shadows“, doch danach tönt es einwandfrei. Schnell bildet sich eine Circle Pit in der Mitte des Geländes; viele scheinen schon ein ganzes Jahr dem Deathfeast entgegengefiebert zu haben nur um mit (oder ohne) Drink in der Hand im Kreis rum zu rennen. Einer dieser Drinks fliegt mir gleich entgegen und durchnässt meine Jeans, aber es ist genügend warm, dass innerhalb von Minuten nur noch ein paar Zitronenstückchen und ein klebriges Gefühl zurückbleibt. Dekathexis serviert uns eine Auswahl von Songs aus ihrem letzten Dezember erschienenen Debütalbum, sowie einen guten Rat: Sonnencreme nicht vergessen. Der Vokalist lässt verlauten, dass er schon die ersten „roten Fressen“ sieht – wer mit Steinen wirft, denn er ist ebenfalls knallrot im Gesicht. Ich nutze die Gelegenheit, mir eine weitere Schicht Sonnencrème zu glasieren. Dabei verpasse ich, wie der Gitarrist sich ebenfalls in die Menge stürzt, und ein-zwei Mal im Kreis mitrennt.
- Shadows
- Ruins of Laughter
- Flame Within
- Abyss
- As the Darkness Closes in
- Sleepless
- Echoes
- Bottomless
Zwischen den Bands gibt es diesmal nicht die Stoner Playlist des Festivalorganisatoren, sondern eine Best-Off Europop playlist. Angefangen mit Darude’s Sandstorm, das gleich nach Dekathexis über die Lautsprecheranlage dröhnt – man wird es heute nicht nur einmal hören.
Als nächstes auf dem Menu ist eine doppelte Dosis französischer Slam – zuerst Cryogenical Excision, dann Devour the Fetus. Cryogenical Excision aus Rennes macht den Anfang. Das Fünfergespann tritt mit zwei Vokalisten auf, die sich zwischen tiefen Growls und hohen Pigsqueels abwechseln. Diesmal ist der Sound von Anfang an ziemlich gut – nur gegen Ende überschlägt sich der Ton etwas. Nebst der Circlepit, die sich gleich beim ersten Song aktiviert, fliegen auch die ersten Crowdsurfer.innen des Festivals über die Köpfe der Besucher – und der erste Stagediver landet mehr oder weniger direkt auf dem Boden. Also eigentlich unnötig, dass die Band trotzdem nach einer Circlepit fragen. Zwar ist die, die da ist, noch etwas gemächlich, aber kann man auch nicht erwarten, dass sich jemand in diesen Temperaturen in Sprintgeschwindigkeit vorausgabt. Da kommen zwei Vokalisten gelegen – einer kann sich immer ausruhen, während der andere herumschreit. Für die Instrumentalisten gibt’s dafür in der Mitte des Sets eine längere Pause. Da plant die Band nämlich ein extra „langes Sample“ ein. Das hört sich aber eher wie ein Outro an, und ich glaube nicht, dass ich die einzige bin, die denkt, dass das Set schon vorüber war. Die lange Pause beisst ein grosses Stück aus der Wucht der Band, und die Energie der Band geht danach nicht mehr so gut in’s Publikum über wie zuvor.
- Cryogenic Crowd Control
- Dismemerment at Absolute Zero
- Genital Seismotherapy
- Dry Ice Lobotomy
- Pentobarbital sodium anesthesia
- New Track AFA
- Refrigerated Amniotic Liquid
- Chronically Implanted Intercranial electrodes
Irgendwas ist in der Luft von Andernach, denn wieder tränen mir die Augen wie verrückt. Diesmal bin ich aber vorbereitet, und habe Augentropfen mitgebracht. Mit (künstlichen) Tränen in den Augen geht es weiter mit Devour the Fetus. Laut dem letzten Mal, als ich sie gesehen habe, sollte dieses Jahr ihr drittes Album erscheinen. Zwar spiegelt sich ihr neuestes Material in ihrer Setlist wieder, aber genaueres wird beim Auftritt nicht angedeutet. Was man aber schon sagen kann – es wird auf ihr früheren Gimmick verzichtet, Neugeborene zu verspeisen („Chew my Newborn Stew“), und sie in verschiedenster Weise zuzubereiten („Baby con Carne“, „Embryomlet“). Dafür wendet sich die Band jetzt weitaus abstrakteren Konzepten zu wie bei ihrem auf der 2023 erschienen Song „Abominable Depravity Within“. Irgendwann ist ein Gimmick halt durchgekaut und ausgelutscht, aber dafür habe ich mich beim letzten Mal zu früh auf noch mehr Baby-Essens-Puns gefreut. Ihr neuestes Material kommt aber gut an, so gut sogar, dass die Band schon während dem Intro mit lautem Gepfeife auf der Bühne begrüsst wird. Und das Publikum steht auch etwas dichter vor der Bühne – jetzt hat es auch Schatten bis zur Hälfte der Barrikade, und man muss sich für den erstklassigen Slam der Franzosen nicht (mehr) in Sonnenstichgefahr begeben.
- The Awakening
- Scourge of Ignorance
- Chew my Newborn Stew
- Decay of Sanity
- Abominable Depravity Within
- Tormented by the Unnamed
- Devoured by an Ageless Greed
- Foetus Slamo Maxillaire
- Oniric Salvation
Weiter geht’s mit Spineless Fucker’s „Grind-Dance“. In die feinsten Stoffe gewickelt, die Discount-Ikone Lidl zu bieten haben, legt das Quartett aus Tschechien los. Zumindest für einen Song – denn trotz Soundcheck vor dem Auftritt gibt es Probleme mit dem Gitarrenverstärker, und das Mikrofon steigt gleich auch noch aus. Die knappbemessenen 15 Minuten zwischen den Bandauftritten funktionieren eigentlich immer, denn dahinter steckt ein ausgeklügeltes System und ein eingespieltes Team. Das Schlagzeug der nächsten Band wird nämlich immer schon während dem Auftritt der vorherigen Band auf einer Plattform auf Rollen aufgebaut, und dann mit der, der schon auf der Bühne steht ausgewechselt. Der grösste Teil des Umbaus fällt also weg, und während den 15 Minuten kann man sich voll und ganz auf den Soundcheck konzentrieren. Trotzdem – manchmal gibt die Technik einfach den Löffel ab, wie so hier bei Spineless Fuckers. Im kurzen Moment, den es braucht um alles wieder zum Laufen zu bringen, hat die Rhythmussektion ihre „time to shine“ und unterhält das Publikum mit einem Bass- und Schlagzeugsolo. Kaum funktioniert alles wieder, wendet sich der Bassist anderen Dingen zu und wandert zu den Merchständen und dann durchs Publikum zurück wieder auf der Bühne. Immer wieder verliere ich ein Teil der Band aus den Augen, die Lidl T-Shirts scheinen eine Art Tarneffekt zu haben und verschmelzen perfekt in der Menge. Musikalisch serviert Spineless Fuckers uns mit humorgespicktem Grindcore wie man’s aus Tschechien kennt. Was genau gespielt wird, ist nicht ganz klar, denn die Band tätigt ihre Songansagen auf Tschechisch, genauso wie die Songs auf der liebevoll mit Panda Clipart dekorierten Setlist stehen – das Auge isst mit. Auf Nachfrage des Vokalisten, wer ebenfalls aus Tschechien kommt, gibt es fast keine Antwort aus dem Publikum; aber die Musik sprengt ja jegliche (sprachliche) Grenzen. Und das nach dem Set gespielte Sandstorm von Darude kommt auch ganz ohne Worte aus.
- Intro
- Díra (Stick)
- Gorija (Unexpected)
- Mast’a
- Hurvajs (Caravan)
- Okurková sezóna
- Markye
- Housenka (Caterpilar)
- Mushroom Hunters
- Homobicycle
- Utru ti Slen
- Opust’ak
- Dobroty (Goodness)
Nach T-Shirt- und Instrumenten Wechsel betritt Mincing Fury and Guttural Clamour of Queer Decay die Bühne. Sie teilen zwei Mitglieder mit Spineless Fuckers – den Vokalisten, sowie deren Bassisten, der hier die Gitarre übernimmt. Trotz vorheriger Vorausgabe stehen die beiden mit derselben Frische auf der Bühne wie zuvor, nur mit neuen T-Shirts – das Lidl logo wurde von Kätzchen abgelöst. Gewöhnt sin sie es – Mincing Fury feiert das 25 Jahre Jubiläum, und zugleich den Abschluss ihrer langjähriger Bühnenkarriere auf dem Deathfeast 2025. Dass es ihr letzten Auftritt ist, findet nicht sehr viel Zuspruch beim Publikum; bei der Ankündigung werden sie gleich ausgebuht. Trotzdem streikt das Publikum nicht, und macht bei den Kapriolen des Quartetts mit. Die sind nämlich lieber mitten im Publikum als auf der Bühne. Nur der Schlagzeuger muss, wohl oder übel, hinter seinem Kit auf der Bühne bleiben, während seine Bandkameraden sich in der Menge begeben. Zu „Sea of Weakness“ ist die Bühne sogar bis auf den Schlagzeuger leer. Nur ein auf die Bühne geworfenes Unterhöschen (angekündigt, aber von mir nicht gesehen) lockt die ganze Band wieder zurück auf die Bühne. Nebst Dankaussagen an die Organisatoren und das Publikum, huldigen Mincing Fury ebenfalls Gutalax mit „Gutalaxomy-Psy“. Gutalax wird später am gleichen Abend auftreten. Ihr allerletzter Song, den sie spielen, passt ebenfalls zu ihren Landesgenossen: „Shit Song“. Ihren Abgang wird mit – Überraschung – nicht Sandstorm von Darude gefeiert, sondern „Tonight“ von Akon und Pitbull.
- Intro
- Dement
- Liability
- Sea of Weakness
- Break me Down
- Kačenka
- Lies
- Gutalaxomy – Psy
- Tenuous Vision
- Guys who are falling in the End
- Languish
- Shit Song
To The Grave steht als nächstes auf der Bühne, und serviert uns veganen Deathcore aus „Downunder“. Die Australier klappern gerade die Sommerfestivals in Europa ab, mit einigen auch ausgefalleneren Stops, die man sonst nicht auf Tourpostern sieht – zum Beispiel das Vegan Campout in Grossbritannien. Apropos Vegan: Die veganen Optionen auf dem Deathfeast sind stark geschrumpft, letztes Jahr gab es noch einen eigenen Stand. Dieses Mal sind es nur die Fritten vom Hähnchenstand. Und auch die vegetarischen Optionen weiten sich nur auf Pizza Margherita aus. Hinter der Bühne ist es bessergestellt, und To The Grave bleibt nicht hungrig; aber trotzdem schade. Der Hähnchenstand läuft auch auf Hochtouren und weht seinen Geruch ins Publikum. Gleichzeitig olfaktorisch unpassend und trotzdem passt es irgendwie zur Schweine Maske und der Metzgerschürze des Vokalisten. Vor riesigem „Kill Your Local Animal Abuser“ Banner lieferte die Band eine energetische Performance, und der Vokalist traut sich gegen Ende sogar über die Barrikade und crowdsurft eine kurze Weile im Publikum; aber ohne Maske. Sicherheit geht vor. Die gleiche Maske gibt’s auch im Publikum zu sehen, auch in den nächsten Tagen – jemand hat anscheinend sich die gleiche selbstgebastelt, oder hat sich eine der „extrem limitierten“ Exemplare, die die Band verkauft geschnappt.
- Intro
- DNA (Do Not Amputate)
- Burn your local Butcher
- Vegan Day of Violence
- Dead Wrong
- DxE or Die
- Forced Diet Reassignment
- Terrormilitary
- Shock Tactics
- Made in Aus
Schon beim Auftritt von To The Grave sind die ersten Anzeichen des anstehenden Auftritts von Gutalax zu sehen, nun läuft jemand mit einem Scheissehut rum, und ich sehe immer mehr Toilettebürsten in der Menge. Bevor aber die „Scheissparty“ losgehen kann, spielt noch Relics of Humanity. Wie schon bei ihrem Auftritt beim Slamcult in Thun servierte das Quartett kompromisslosen Slamming Brutal Death Metal. Dass die Hälfte der Musiker auf der Bühne „hired Guns“ sind, merkt man nicht. Was man aber merkt, wenn man sie schon mal gesehen hat: Die Ansagen sind genauso einstudiert wie die Stücke. Nicht weiter schlimm, nur ein Déjà-Vu bzw. Déjà-entendu. Während bei den vorherigen Bands noch die letzten Sonnenstrahlen den dicken Bühnenrauch durchschnitten haben, sammelt er sich bei Relics of Humanity in dicken Schwaden an. Aber sehen muss man nichts, hören genügt.
Beim Abstecher ins Backstage um meine Kamerabatterien aufzuladen, herrschen dort ähnliche Konditionen wie auf der Bühne – alles ist in dicksten Nebel gehüllt. Der verzieht sich hinten nicht so schnell wie vorne; aber als Gutalax auf die Bühne tritt, ist’s nur noch halb so schlimm, und ich kann sogar den Drummer ein bisschen sehen. Dieser ist, wie seine Bandkollegen, in einen Ganzkörper Schutzanzug gehüllt. Wenigstens ist es nicht mehr so heiss wie am frühen Nachmittag, aber der körperliche Einsatz des Drummers verwandelt sein PPE in ein Treibhaus. Abziehen kommt aber nicht in Frage, die Kleiderordnung darf nicht gebrochen werden, darum schiebt er lieber die Ärmel und Hosenbeine hoch. Visuell hat es zwar was von einer Ganzkörperwindel und das „personal protective equipment“ schützt wenig bis gar nicht mehr, scheint aber seinen Zweck zu erfüllen. Der Vokalist nimmt es mit dem Schutz etwas ernster und zieht nicht nur die Kapuze des Ganzkörperanzuges nach oben, sondern ergänzt denn Look auch noch mit einer übergrossen Schutzbrille. Was nicht schaden kann: Schon vor Konzertbeginn fliegen, musikalisch unterlegt vom Baywatch Themesong „I’m Always Here“ die ersten Toilettenpapierrollen auf die Bühne – und gleich wieder zurück ins Publikum. Die Party hat schon angefangen; nur die ToiTois fehlen noch. Oder kommen erst gar nicht: Das Deathfeast setzt auf WC Container, die wenigstens für Leute mit kurzen Beinen viel komfortabler sind, aber nicht ganz so portabel wie ToiTois. Dafür hat jemand eine aufblasbare Version mitgebracht, die über den Köpfen des Publikums herumsegelt, zusammen mit weiterem Toilettenzubehör, vor allem Toilettenpapierrollen und (hoffentlich ungebrauchten) WC-Bürsten. Ihr sechster Auftritt beim Deathfeast soll nicht nur irgendeine Party werden, sondern, wie auch die restlichen Shows dieses Jahr, ein Teil ihrer Jahreslangen Feier des 15. Geburtstages der Band. Gefeiert wird mit „Singen und Tanzen“ zum Best Off der Tschechischen Partygrinder. Zwar zeigt sich die Band überrascht, dass nach den ersten drei Songs immer noch Leute da sind – „alle anderen Songs tönen genau gleich“, aber bei einer Party ist musikalische Abwechslung kein Muss, und die restlichen Songs der Band, von „Poopcorn“ bis zu „Shitbusters“ eignen sich bestens zum mit erhobener WC Bürste im Kreis herum zu rennen.
- Intro
- Assmeralda
- Nosím misto ponožky kousek svoji predkožky
- Poopcorn
- Buttman
- Šoustání Predele Za Slunné Neděle
- Robocock
- Diarrhero
- Vaginapocalypse
- Fart and Furious
- Total Rectal
- Shitbusters
- Strejda Donald
Der „Shitnado“ von Gutalax hat eine Schneise der Verwüstung auf dem Gelände hinterlassen: Der Platz ist übersäht mit Toilettenpapier, Leuchtstäbchen und grossen und kleinen Konfetti. Letztere stammen aber auch teilweise von ihren Vorgängern To The Grave. Die Party geht aber weiter mit Angelmaker aus Canada. Zuerst wird aber natürlich nochmal Sandstorm von Darude gespielt, und die Playlist läuft auch während dem Soundcheck weiter – die Kanadier nutzen In-Ears, keine Monitore; und haben keine Verstärker mitgebracht, alles wird am Mischpult geregelt. Nur das Schlagzeug ist also zu hören, bis Angelmaker „Godless“ anstimmte. Ich habe sie zuvor auf dem Züri Gmätzlets letzten März gesehen, wo sie mir nicht besonders in Erinnerung geblieben sind. Mit drei Gitarristen und zwei Vokalisten ist viel los auf der Bühne, aber die vielen Köche verderben den Brei ein bisschen. Nur für die vereinzelten Gitarrensolis treten die zwei Vokalisten in den Hintergrund, sonst schienen sie sich gegenseitig übertrumpfen zu wollen. Nicht so schlimm, denn das Publikum braucht gar keine (kohärenten) Aufrufe um weiter zu feiern. Genauso wie der Drummer, der ganz zufrieden hinter seinem Schlagzeug hockt, anscheinend glücklich darüber, nicht vorne auf der Bühne seinen Platz zu erkämpfen. Zu „Lazarus“ fordert einer der Vokalisten trotzdem das Publikum auf, statt den klassischen Hörner nur den kleinen Finger zu zeigen; mit einer Veranschaulichung von all den Handzeichen, die die Kanadier auf Tour schon gesehen haben. Nichts davon strafrechtlich relevant, zum Glück.
Nach Angelmaker ist es aber noch nicht vorbei – die Party geht auf dem Zeltplatz weiter. Ich unterhalte mich mit einer meiner Zeltnachbarn über Aliens, und ob die Voyager Golden Record eine gute Idee waren oder nicht (zwar funktioniert die Platte auch ohne Strom, aber die währe wahrscheinlich auch auf der Erde gleich nach Fund eingeschmolzen worden, also nein), bevor ich mich im Zelt den Arsch abfriere. Die besagte Party war zum Glück genug weit weg, dass ich sie nur entfernt höre – aber irgendwer in der Nähe schnarcht so laut, dass ich mir trotzdem die Kopfhörer mit Noise Cancelling Funktion aufsetze.
Freitag
Der Freitag kündigt sich kalt und windig an. Regnen sollte es zwar nicht, aber die Sonne bleibt ausser für ein paar Moment hinter den Wolken versteckt. Gut daran: Man wird beim Campen nicht schon um 7 Uhr wach, weil sich das Zelt langsam in einen Backofen verwandelt. Schlecht daran: Es ist arschkalt. Ich nutze die Zeit vor dem ersten Konzert, die ersten Fotos zu bearbeiten, und mich an meinen überhitzenden Laptop aufzuwärmen.
Was natürlich auch nicht fehlen darf: Das traditionelle Parkbanktrinken, das ziemlich genau das ist was man sich unter dem Namen vorstellen kann: Auf den Bänken des Skateparks des Juz Andernach zu trinken. Damit nicht langweilig wird, messen sich immer zwei Freiwillige daran, Dartpfeile auf Bierdosen zu schiessen. Wem seine getroffen wird, muss austrinken und seinen Campingstuhl verlassen. Trotz steigendem Alkoholpegel und den nicht ganz ungefährlichen Spielregeln gibt es keine Verletzte.
Der erste Slot von jedem Festivaltag des Deathfeast ist für eine Newcomer Band oder eine kleine lokale Band reserviert. Slowly Rotten gehört zu den letzteren, es gibt sie seit 2007, aber ganz lokal sind sie nicht: Sie kommen zwar aus Deutschland, sind aber acht Stunden unterwegs gewesen, um ans Deathfeast zu kommen. Leider hatten sie einen schwierigeren Anfang als Dekathexis am Tag zuvor – die Exzesse des ersten Tages haben schon ihre Opfer gefordert, und kurz vor zwei, als die Band ihre ersten Songs anstimmte, war noch nicht so viel los vor der Bühne. Sollte aber auch verständlich für die Band sein: auch sie gaben zu, am vorherigen Tag etwas über die Stränge geschlagen zu haben: „Wir haben es fast nicht auf die Bühne geschafft, die Cocktail Bar hier hat uns gestern gekillt“. Wäre es aber nicht gesagt worden, hätte man’s nicht gemerkt; die Band steht souverän auf der Bühne, und präsentiert ihr Material ganz ohne Schnitzer. Oder zumindest bemerke ich diese nicht. Ein bisschen mehr Selbstvertrauen und weniger Selbstkritik hätte aber trotzdem gutgetan – so viel Negatives über sich selbst muss man nicht mit dem Publikum teilen.
- Westcoast Death – Intro
- Neurotic Tragedy – Blast China Intro
- Traumatic Defilement – Stay Asozial
- World of Lies – Drum/Bass Intro
- Pissing Moments
- Paralysing Thoughts – Resection Intro
- Contract to Surgery – 000031 Skinless
- Crimes of the Century – 5414
- Betrayer
Als zweites steht Solar Eruption aus Frankreich auf der Bühne. Die Deathcore Band betraten die Bühne in aufeinander abgestimmten Bomberjacken, und eröffnet ihr Set mit einem orchestralen Intro. Davon ist aber, mit Ausnahme ihres neuesten Songs, nicht sehr viel zu hören: Das allermeiste Material der Band ist technischer Deathcore. Der kommt gut auch gut an – ihre neuste Single leider etwas weniger. Die orchestralen Arrangements von „Dead to Me“, ihr neuester Song, verschlucken die restliche Instrumentation fast vollständig. Vielleicht liegt es zum Teil auch beim Live Mix, aber wenn gleich zwei Gitarristen auf der Bühne stehen, würde ich das auch gerne hören. Vor allem, wenn diese zuvor (und danach) gezeigt haben, was sie draufhaben.
Mit Sucking Leech geht’s weiter. Die Band aus Deutschland spielt schnellen Grindcore in ohrenbetäubender Lautstärke, sie scheinen noch lauter als die anderen Bands. Zwischen den Songs erzählen sie, dass man sie sowieso nicht verstehen würden, weil sie aus Bayern sind – sympathisch, denn ich habe meinerseits auch mit Verständnisproblemen zu kämpfen. Die Anweisung, dass wer nicht weiter trinkt, Strafschnaps trinken müsste, ist jedoch glassklar beim Publikum angekommen. Manche Dinge sind halt universell. Nebst eigens komponierten Songs gibt Sucking Leech auch Songs von Crust Band ABC Diabolo und Assück zum Besten. Tönt gut, kann mich aber leider nicht aus meinem verfrühten Mitte-Nachmittagstief locken – die Fritten vom Hähnchenstand helfen da besser.
- Our Wealth Their Ruin
- No More Thoughts About It
- Our Own Demise
- Errordynamic
- DOT
- ABC-Diablo
- 3ecksLichter
- Heretic Freedom
- Security
- Of Pain
- Assück
Nächstes auf der Bühne: Pighead, ebenfalls aus Deutschland. Sie treten beim Deathfeast zum ersten Mal mit ihrem neuen Drummer Simon auf. Mir wird gesagt, dass er schon als Kind immer aufs Deathfeast kam, und seit 13 Fan der Band war. Ob das so genau stimmt weiss ich nicht, aber dass er beim Spielen Spass hat, ist ersichtlich. Zu hören gibt es vor allem brandneues Material der Band. Im April hat Pighead ihre neueste EP „Relapse into Absurdity“ veröffentlicht, nach fast zehn Jahren Release-Pause. Dem Publikum gefällt es – und was noch mehr gefällt, sind die Pighead Shirts mit süssem Schweinekopf. Und die Band scheint auf beides stolz zu sein: „nächster Song, nächster Banger.“
- Inhale the Death
- Drenched in Purulence
- Convulsed in Decomposition
- Ragged & Fractured
- Kill the Living
- Insidious Vows of Spiritual Impostors
- Relapse into Absurdity
- Grub into Addled Meat Strangled
Embrace your Punishment sollen eigentlich etwas später auftreten, aber da 9Dead im Stau stecken und nicht rechtzeitig beim Juz Andernach eintreffen, spielen sie etwas früher. Die Franzosen begeistern das Publikum und überzeugten mit einem Mix aus Hardcore und Brutal Death Metal. Zu hören gab es vor allem Material von ihrem Album „Nameless King“, das 2019 erschienen ist. Der neuere Release „Made of Stone“, 2023 erschienen, ist nur mit zwei Songs vertreten. Die Band versucht sich an einer Wall of Death, was aber daran scheitert, dass jemand eine Bank in der Mitte des Festivalsgelände aufgestellt hat, um bei den ersten Bands ganz bequem zugucken zu können. Das Hindernis hielt das Publikum davon ab, aufeinander zu prallen, war aber auch das perfekte Zentrum der Circlepit. Was natürlich auch am Ende der Setlist nicht fehlen darf: „Lets take a picture together“ – gesagt, getan.
- Sample + Intro Slam
- Ascension
- Worthless Hound
- Aeons of Fire – made of stone
- Fear the Wolves
- Allegiance
- Intro Album Nameless King
- Black Storm
- Alone in this Pit
- Nameless King
- Let’s Take A Picture Together
Vaginal Penetration of an Amelus with a Musty Carrot oder, ein bisschen kürzer, VxPxOxAxAxWxAxMxC, springt für Rectal Smegma ein, die nicht auftreten konnten. Die Goregrind Band aus Österreich steht zwar auch leicht reduziert auf der Bühne – nur zu zweit, wenn man den Computer nicht auch als Bandmitglied dazuzählt. Der Vokalist der Band würde aber auch als Alleinunterhalter durch gehen, und Humor ist sowieso vorprogrammiert. Die selbsternannten „Goregrind Polka-Dozer“ beschweren sich gleich lauthals, dass sie „nicht eingeladen wurden“ und nur zweite Wahl waren – und konnten dem Publikum ein lautes „Buhhh“ entlocken. Auch boten die Österreicher den perfekten Soundtrack, um sich nochmals auszupowern: Die Circlepit wird merklich schneller, und dass nicht nur wegen der Aufforderung der Band, nicht so gemächlich rumzulaufen. Und wer lieber tanzt als rumrennt ist mit den Schlagersamples der Band bestens bedient. Die Zuschauer belohnen den Auftritt mit Unterwäsche und den Rufen nach einer Zugabe nach der Zugabe.
9Dead aus den Vereinigten Staaten ist inzwischen in Andernach eingetroffen. Am Spieltag wird ihr neuestes Album „God of Mine“ veröffentlicht, das sie jetzt in den nächsten zwei Wochen auf ihrer ersten Europatour dem hiesigen Publikum näherbringen. Die Amerikaner stehen mit leicht anderem Lineup auf der Bühne als sonst – sowohl der Bassist und Schlagzeuger der Band sind verhindert und werden auf Tour von Livemusikern ersetzt. Musikalisch sitzt zwar alles, aber die Band scheint trotzdem etwas nervös – vielleicht wegen der stressigen Fahrt nach Andernach, dem Jetlag, oder weil das Set noch nicht ganz so gut durchdacht ist. Aus einem unerklärlichen Grund entscheidet 9Dead nämlich, ihr Gruppenfoto in mitten ihres Sets zu schiessen. Das extrem lange Sample, dass nach einem Outro klingt, aber sich ebenfalls in Mitte des Sets befindet, hilft nicht. Die gute Nachricht: Nach zwei Wochen Tour war ihr Auftritt beim Meh Suff Festival um weites besser – und wirft weniger Fragen auf.
Ihre Tourkollegen Viscral machen weiter mit noch mehr Brutal Death Metal. Die Indonesier sind ebenfalls erst gerade in Europa eingetroffen, scheinen sich aber schon besser eingefunden zu haben – ist auch nicht ihr erstes Mal hier. Auch sie spielen nicht in kompletter Aufstellung – ihr Bassist ist nicht dabei und stattdessen spielen sie ebenfalls mit einem Gastmusiker. Die Nebelmaschinen laufen auf Hochtouren, und während ich bei 9Dead noch einen klaren Blick auf den Schlagzeuger hatte, verschwindet er bei Viscral im Nebel. Schade eigentlich, denn er headbangt wild mit seinen Bandkollegen mit, was aber vom Publikum aus kaum sichtbar war. Dafür werden sie vom Vokalisten unterhalten, der wenn er mal nicht ins Mikrophon schreit, ganz gerne die Zunge rausstreckt. Für einen ihrer Songs von ihrem Debütalbum holen sie Joel Sta, ehemaliges Mitglied von Pyaemia auf die Bühne, um sie bei den Vocals zu unterstützen – ein wichtiger Moment für die Band, denn sie nennen ihn als einen bedeutenden Einfluss auf ihre Musik.
- Eradicate the Parennial Threat
- Impulses to Kill
- Enigma of Obsessed Hatred
- Infernal Abhorrence
- Stubborn
- Compulsive Ingenuity
- Suffer Resurrection
- The Catacombs
Weiter geht’s mit Coffin Feeder aus Belgien. Die Deathcore Band feiert dieses Jahr das Erscheinen ihres Erstlings „Big Trouble“. Die Inspiration dahinter: Action- und Horrorfilme. Dass Frontmann Sven de Caluwé das mag, ist mir spätestens bei seinem Auftritt mit Aborted aufgefallen, wo er bei jeder Ansage irgendwie irgendeine Referenz zu Robocop eingebaut hat. Bei Coffin Feeder gibt es aber weniger Robocop References, dafür umso mehr Dad Jokes und Geschichten über Freak Accidents – wie zum Beispiel was passiert, wenn man aus Versehen eine Bazooka in die falsche Richtung abschiesst. Apropos falsche Richtung – Coffin Feeder sind auch kein Freunde der langweiligen „normalen“ Wall of Death, und wünschen sich eine Extrawurst – nämlich von vorne nach hinten zu rennen und vice versa, „weil es dumm ist“. Passt.
- Plug it in
- Dead of
- Capture
- The Destroyer
- If it Bleeds
- Porkchop
- Let off some steam
- Bodybags
- Love at first death
- Plain Zero
- Get to the Party
- Stereo
Disavowed haben bei ihrem Auftritt bei der letztjährigen Edition des Deathfeast nicht mal ein halbes Set gespielt, denn ihre geplante Spielzeit wurde wegen eines Unwetters unterbrochen. Dieses Mal klappt es aber: Die Niederländer spielen nicht nur ein ganzes Set (fast) ohne Unterbrechung, sondern liefert auch eine unvergessliche Performance. Die Band nimmt es nicht so genau mit „Bühne“ und „Publikumsbereich“ und lädt kurzerhand die Zuschauer auf die Bühne ein. Statt die erwarteten „zwei Personen“ ist die Bühne bis zum Bersten voll, genügend also um die Crowdsurfpläne des Vokalisten vom allgemeinen Publikum auf die Bühne zu verlegen. Schade aber um den Rest der Band – der verschwindet nämlich hinter den ganzen Leuten. Auch bei Disavowed übernimmt Joey Sta (ex. Pyaemia) das Stimmämtchen für einen Song – er war in der Band, aus der Disavowed entstand. Den zweiten Aufruf der Band, dass sich Leute zu ihnen für den letzten Song auf die Bühne gesellen sollen, wurde aber von den Organisatoren blockiert – das wäre dann doch zu chaotisch. Dafür crowdsurfte der Vokalist noch ein letztes Mal rund um das Gelände. Der ganze Auftritt war chaotisch, aber vielleicht gerade deshalb so gelungen – auf jeden Fall haben sie hier einen tieferen Eindruck hinterlassen als letztes Jahr.
- Reason Rejected
- Revocation of the Fallen
- Biased Existence
- Condensed Conditions
- Therapeutic Dissonance
- The Enlightened One
- Rhizome
- The Infinite Multiplicity
- Defractured in Contemplation
- Masses Conformed
Zum Umbau gibt es am Freitag nicht Sandstorm von Daurde zu hören, sondern What is Love, von Haddaway, ebenfalls in Dauerschleife. Visceral Disgorge aus Baltimore kann die Frage eher weniger gut beantworten – die sexuellen Erfahrungen des Vokalisten, die er zwischen den Songs im Detail beschreibt, scheinen sich auf Leichen zu beschränken. „In diesem Song geht es darum, auf einen Leichnam zu scheissen, es zu essen und dann zu ficken.“ Bon appétit? Ich mag zwar Bühnenansagen grundsätzlich schon, aber irgendwie geht es mir hier zu weit. Das Ganze unterstreicht der Vokalist mit Masturbationsgestik am Mikrofon. Na ja. Musikalisch bietet Visceral Disgorge dafür genau das, was ich beim Death Metal mag – ein kompromissloser Abriss. In der Playlist zum Umbau nach Visceral Disgorge gibt’s etwas Abwechslung: „Love Hurts“.
- Force Fed Shredded Genitalia
- Saprogenic Deformation
- Strangled and Sodomized
- Sedated and Amputated
- Transfixed in Torture
- Necrocoprophagia
- Maggot infested Fuck Hole
- Skull Fucking Neonatal Necrosis
Cephalotripsy, extra aus den Vereinigten Staaten eingeflogen, machen den Schluss. Wie auch Disavowed sollten sie schon letztes Jahr auftreten, doch ihr Set ist wegen einem Unwetter abgesagt worden. Cephalotripsy war seit 2008 nicht mehr in Deutschland aufgetreten, also ein Jahr mehr oder weniger macht nicht so einen grossen Unterschied – und Vorfreude ist bekanntlich die beste Freude. Im Juli letzten Jahres ist ihr neuestes Album „Epigenetic Neurogenesis“ erschienen, dass es jetzt zu feiern gilt. Die Band spielt, mit der Zugabe von „Excision of Self“, ihr ganzes zweites Album. Aber nicht nur: Ihr Debüt kommt natürlich auch nicht zu kurz. Beides kam beim Publikum sehr gut an, gut genug um vielleicht den Mosphit-Rekord des Festivals aufzustellen – gegen Ende des Sets scheint es, als würde eine gute Hälfte des Publikums mitmachen. Das Warten hat sich gelohnt. Für die nächste Show der Band sollte man aber nicht ganz so lange warten müssen: Die Band kündigte ihre Absicht an, nächstes Jahr in Europa auf Tour gehen zu wollen.
- Excavation of Encystation
- Arcana Rites of the Transdimensional Progeny
- Ulcerated Mass of Pestilent Engorgement
- Alpha Terrestrial Polymorph
- Intracranial Butchery
- Entrenched in Fluids of Enigmatic Predation
- Epigenetic Neurogenesis
- Uterovaginal Insertion of Extirpated Anomalies
- Lo tech Non Entity
- Induced Primordial Regression
- Metamorphic Cogenical Malformation
- Embryonic Gastronomy
- Excision of Self
Cephalotripsy nützte ihren Timeslot voll aus, und zu Ende des Sets ist es schon fast Mitternacht. Aber der Tag ist noch lange nicht vorbei – die Party geht natürlich auf dem Campingplatz weiter. Zumindest für die anderen, denn ich bin inzwischen todmüde, und schlafe trotz der Kälte und der Geräuschkulisse innert Minuten ein.
Samstag
Mittlerweile machen sich die Nachteile der Brutal Death Metal Uniform (Cargoshorts und Bandshirt) auch bei den Abgehärtetsten bemerkbar. In der Nacht haben sich Wespen in der halbierten Wassermelone, die jemand auf dem Campingtisch vor meinem Zelt gelassen hat, ein zuhause gemacht. Dafür sind sie jetzt etwas weniger aggressiv – die Wassermelone fungiert als Opfergabe, und ich esse mein Zmorgen in Ruhe. Zumindest bis jemand auf die Idee kam, die Wassermelonenhälften wegzubringen, und die Wespen, nun nicht nur aggressiv, sondern auch noch verwirrt, nach neuer Beute ausschauhalten.
Auf dem Gelände hat es weniger Wespen als auf dem Campingplatz (zum Glück!), dafür umso mehr Leute. Den Anfang des dritten und letzten Tages des Deathfeast machten Public Grave. Die Death Metal Band aus Deutschland haben anfangs dieses Jahres ihr Zweitling „Grotesque Mutations“ veröffentlicht, mit dessen Titellied sie in ihr Set starten. Das Quartett spielt Death Metal mit einigen Grindcore Einschlägen, eigentlich ganz mein Ding („mögt ihr Melodien? Nein? Gut!“) aber irgendwie hilft der Mix nicht wirklich, die Vocals klingen seltsam dünn. Vielleicht kündigt sich auch nach zwei Tagen Dauerbestallung und selbstverursachten Dehydration ein Hörsturz meinerseits an. Aber egal ob es gefällt oder nicht, die Band gibt uns allen einige Tipps mit auf den Weg. Der Song „Human Organ Harvesting“ gehe zum Beispiel darum, wie man damit umgeht, wenn einem die Leber versagt: „leiht sie euch von eurem Nachbar für den letzten Tag vom Festival aus“. Und wenn das nicht genug ist, verrät uns „Faking the Cadaver“, wie man am besten eine Ausrede findet, um auch am Montag nach dem Deathfeast blau zu machen. Trotz den kurzbemessen Zeit – „wir haben nicht so viel Zeit zum Scheisse labern“ – erkundigt sich der Vokalist auch um das allgemeine Wohl der Festivalbesucher : „habt ihr noch genug Bier?“, bevor er denn letzten Song trotz Kälte mit freiem Oberkörper bestritt.
- Grotesque Mutations
- Cranium Crush Fest
- Human Organ Harvesting
- Cadaverous Resurrection
- Realm of the Rotten
- Force Fed By Blunt Weaponry
- Faking The Cadaver
- Exhumed Corpses Undead Forces
Storm Upon the Masses aus Belgien spielt als zweites. Sie sind mir schon als Support für Brutal Spincter begegnet, als sie in Basel in der Kaschemme spielten und einen guten Eindruck hinterliessen. Diesmal ist auch ihr eigentlicher Drummer dabei, der letztes Mal verhindert war. Noch immer hat’s nicht ganz so viele Leute vor der Bühne, es ist windig, kalt, und die zwei vergangenen Tage haben ihre Spuren hinterlassen. Statt einen Sturm herbei zu rufen, gelingt Storm Upon the Masses genau das Gegenteil – langsam aber sicher gibt es immer mehr Stellen am Himmel, die nicht mehr von Wolken bedeckt sind. Ganz zum Schluss gibt es sogar einige Sekunden Sonne, und dazu mit „Murderous Exhibition“ den „perfekten Song für eine grosse Circlepit“. Da wird einem gleich wärmer.
- Return to Ash
- The Skin Collector
- Cauldron of Carnage
- Crusher of Souls
- Unleash the Demonic Surge
- Murderous Exhibition
- The Ones Who Came Back
Auch Vermicular Incubation ist mir nicht unbekannt, ich habe sie im Mai beim Rock the Hell gesehen. Die Slam Band aus Frankreich hat sich aber ihre Inszenierung von Grund auf überdenkt, und tritt dieses Mal maskiert und verkleidet auf. Für sie ist die Kälte – die Sonne ist inzwischen wieder längst verschwunden – überhaupt kein Problem. Während sich der Vokalist im Türkis-Pinken Nike Sportanzug in Yoga-Posen verrenkt, trägt der Gitarrist einen braunen Wollpulli mit Namensschild, der Bassist steht im Anzug inklusive Aktenkoffer auf der Bühne, und der Schlagzeuger kümmert sich im Overall um den Rhythmus. Bei Sommerlichen Temperatüren unmöglich, hier aber praktisch – nach dem Auftritt trägt der Bassist weiterhin sein Jackett. Die Masken, mit dem sich die Bandmitglieder unerkenntlich gemacht haben, befinden sich „Uncanney Valley“ – passt zur Thematik der Alien-Invasion, die sich durch die Diskografie der Band zieht. Sie kündigen an, dass sie „in Frieden“ kommen, aber eigentlich wäre es egal: Die Musik gefällt, und auch wenn dahinter böse Absichten stecken, würde das der Freude des Publikums keinen Dämpfer aufsetzen. Das dreht sich nämlich mit Gusto im Kreis, inklusive ein selbsternannter „Helene Fischer Ultra“. Vermicular Incubation hat also Massenappeal.
- Shores of Styx
- Miasma Extermination
- Upon the Throne of Tragedy
- Infested Colony
- Whispers of Savagery
- Molecular Deformity
- Suffocation by Maggots
- Wormhole Transformation
Fetor aus Polen macht mich mit einer innovativen Lösung zum Brillenmanagement auf der Bühne aufmerksam. Ihr Vokalist hat sich nämlich eine Vorrichtung gebastelt, die sie ihm am Kopf festbindet, damit dieser fast durchgängig headbangen kann. Funktioniert aber leider nur mit Undercut, da sonst die Haare in die Quere kommen. Beim Deathfeast treten sie mit leicht Verändertem Line-Up auf, und werden sie von Olga Proficz (Bonesnap, Ulcer Uterus) auf dem Bass begleitet, da ihr eigentlicher Bassist aus Gesundheitsgründen nicht auftreten kann. Fetor serviert uns makellosen Brutal Death Metal, der vom Publikum mit Freude aufgenommen wird. Ihre halbe Stunde auf der Bühne füllen sie mit einer Auswahl an Songs ihr zwei Alben „Abandoned Hope“ und „Downward to Distress“, sowie ihrer neuen Single „Lithopedion“. Letztere bleibt mit einer guten Soloeinlage in Erinnerung, die im Kontrast die Brutalität des Ganzen nur noch mehr hervorhebt.
„Jump Around“ von House of Pain kündigt den Auftritt von Bösedeath an. Sie können ihren Auftritt kaum erwarten, und statt nach dem Soundcheck noch eine kurze Pause einzulegen, fangen sie gleich fünf Minuten „zu früh an“. Bei ihrem letzten Auftritt in der Schweiz beim Conquerin Basilea Fest im Februar haben sie ein neues Album für dieses Jahr angekündigt. Jetzt werden wir vertröstet, dass es eventuell nächstes Jahr wird – aber dafür gibt es schon einen neuen Song zu hören. Auf der Set List ist er geheimnisvoll als „GWMF“ vermerkt, das MF steht für „Motherfucker“, der Rest unverständlich – man will ja die Spannung nicht allzu schnell auflösen. Im Publikum wehen mir Konfetti entgegen, die jemand in seinen Taschen reinschmuggelte und jetzt, während er im Kreis rumrennt, in die Menge wirft. Zählt das als Littering? Jedenfalls ist es ein Zeichen, dass Bösedeath der Party keinen Abbruch tut. Auf die Frage des Vokalisten, ob man jetzt Spass hier hat, kann man also mit gutem Gewissen mit „Ja“ antworten. Gegen Schluss kommt nochmal etwas neu(er)es: „Cantona Facekick Festival“, bei dem es darum geht, „Nazis in die scheiss Fresse zu treten“. Macht natürlich auch Spass.
- Southern Fried Homicide
- Chupacabra
- Cthulhu Clothesline
- GWMF
- Cornholio
- Cantona Facekick Festival
- Bloodsuckers
- Animal Style
Als nächstes dran ist Putrid Offal. Die Französischen Deathgrinder gibt’s seit 1990, sie haben in ihren frühen Jahren aber nur wenig veröffentlicht, und dann eine fast zwanzigjährige Pause eingelegt. Siet 2013 sind sie wieder, mit nun leicht erneuter Aufstellung wieder unterwegs. Im April ist ihr drittes Album „Obliterated Life“ erschienen. Dass sie es hier präsentieren, war nicht ganz selbstverständlich – sie sind, zusammen mit Vaginal Penetration of an Amelus With a Musty Carrot im letzten Moment für Rectal Smegma und Necrotic Infibulation eingesprungen. Ganz zu Anfang scheinen noch nicht so viele Leute auf dem Platz zu sein, aber langsam füllt es sich wieder. Eine verfrühte Znacht Pause? Auf der Bühne lässt es sich an der Inszenierung der Band sattsehen – für eine Band ihres Genres haben die vier keine Mühen gescheut, und sowohl Kleidung als auch Bühnenbild minutiös geplant. Ausser dem Vokalisten, der seinen Mikrofonständer mit zwei Infusionsbeutel dekoriert hat, sind alle in blutverschmierten Laborkittel gekleidet und weiss geschminkt. Der Vokalist ist zudem selbst blutverschmiert. Was sie ihm wohl angetan haben? Die Setlist lässt nichts Gutes erahnen – Zwischen „Live Consumed“, „Skilled Ritual“, „Gurgeling Prey“ und „Suffering“ sollte es ihm kaum möglich sein, mit so viel Elan auf der Bühne zu stehen. Musikalisch bieten Putrid Offal viel Groove und Brutalität – eine perfekte Kombination von Death Metal und Grindcore, und ich mag beides schon ganz gerne einfach so.
- Zweel
- Boning Hall
- Dura Mater
- Life Consumed
- Let There Be Rot
- Ribcage Blues
- Skilled Ritual
- Necrotic Mutilation
- Gurgling Prey
- Heaven’s Door
- Sanguis in Oris
- Meat Stall
- Suffering
Weiter geht’s mit einer Band aus dem hohen Norden: Cumbeast. Hinter dem nicht sehr seriösen Namen steckt eine Band, die sich meist selbst nicht ganz so ernst nimmt. Beim Reinhören vor dem Festival war mir ihre Musik vor allem als sehr Wirr aufgefallen – Cumbeast kombiniert Brutal Death Metal mit einer Grosszahl von anderen Genreeinflüssen. Das funktioniert aber sehr gut live, und macht viel Spass. Das letzte Mal sind sie 2022 auf der Bühne des Deathfeasts gestanden, jetzt haben sie ihr neustes, im Mai erschienene Album „Fairytales of Filth“ mitgebracht, dass sie fast in Gänze dem Publikum auftischen. Nach anfänglichen Problemen – irgendwas stimmt nicht mit dem Schlagzeug – läuft alles rund, und sowohl die Band als auch das Publikum vergnügt sich damit, ihre „dümmsten Tanzbewegungen“ vorzuzeigen und mitzusingen. Natürlich darf eine Finnisch Lektion nicht fehlen: Die Band erzählt, wie man ihren Namen auf Finnisch sagt. Wer „Malli Peto“ (?) korrekt aussprechen kann, darf nach Finnland einreisen – gar nicht so schwierig also, schreiben kann ich’s aber trotzdem nicht.
- Cummando
- Metham of Gotham
- Captain Cock
- Cocktopus
- Abacus of Testicles
- Troll Named Scrot
- Analconda
Der Unfug geht mit Spasm weiter. Die Gore- bzw. Pornogrind Band aus Tschechien steht halbnackt – oder 7/8tel Nackt, wenn man’s genau nimmt – auf der Bühne. Zwar hat während Cumbeast noch die Sonne geschienen, die versteckt sich jetzt aber wieder hinter den Wolken, und ich frage mich, ob die Herren in Unterwäsche auf der Bühne nicht frieren. Ich wende alle Tricks an, um eine Handvoll Photos zu Schiessen, die auch für die Sozialen Medien akzeptabel sind – zum Glück legt der Frontmann nach den ersten Song seine Penisnasenmaske à la Anklepants ab. Mit Songtiteln wie „The Calm Before Orgasm Storm“, „Porn Boogie“ und „Sound of Libido“ kann man sich gut vorstellen wie das ganze so tönt: Viele Pigsqueels, etwas primitiv, ein Loblied an die Tschechische Filmindustrie. Nur „We are Gods of Sex“ nimmt man ihnen nicht so ganz ab.
- Intro
- The Calm Before Orgasm Storm
- Full of Pus
- Porn Boogie
- We Are Gods of Sex
- Ladyboy Party
- Lick your Fingers!
- Whip of Chubby Goddess
- Tranny Pop
- Ozolagnia (Pussy Heaven)
- Miss Piss Junior
- Body Conjuring
- Paedophilic Kindergarten Party
- WTF
- Sounds of Libido
- Beautiful Human Toilet
Mit Golem of Gore gibt’s nochmal eine Portion Goregrind. Inzwischen ist zwar fast der ganze Himmel strahlend Blau, die Sonne versteckt sich aber immer noch hinter den wenigen Wolken am Horizont. Eigentlich stehen die Italiener zu viert auf der Bühne, haben aber diesmal ihren Bassisten zu Hause gelassen – und spielen in der gleichen Formation wie ihre Vorgänger Spasm, nur etwas mehr bekleidet. Und wie Cumbeast bringen sie dem Publikum ihre Muttersprache näher – diesmal nicht die italienische Übersetzung ihres Namens, sondern „Porco Dio“, ein Ausdruck, der zu Band gehört wie die Butter auf’s Brot – „wenn ich porco sage, sagt ihr dio„. Das Publikum macht gerne mit, und das Gelernte wird auch gerne zwischen und während der Songs – und auch bei den nachfolgenden Bands – Richtung Bühne geschrien. Zurück zu Golem of Gore – die Italiener präsentieren uns mit einer Auswahl an Songs ihrer neusten Platte „Ultimo Mondo Cane„, die im Mai erschienen ist. Begleitet wird das Ganze vom wilden herumspringen des Vokalisten, und dem Headbangen des Drummers – nur der Gitarrist steht ziemlich statisch auf der Bühne, was aber von seinen Mittstreitern mehr als wett gemacht wird. Die drei werden ihrer Aussage gerecht, dass sie “ nur zwei Gemütslagen haben: Blastbeats und Blastbeats“. Die Pausen zwischen den Songs sind dafür da, dass sich der Drummer davon erholen kann, und „nicht stirbt“. Aber man wolle ja auch „nicht, dass es ihm langweilig wird“. Ihr zweit letzter Song „Eternal Putrefaction Love“ widmen sie an alle Anwesenden und ihre geliebten Personen – für die Band ist Liebe wichtig, solange man „immer noch das Leben hasst“. Für eine Goregrindband wie Golem of Gore ist ein 45 Minuten Slot eigentlich viel zu lange, trotz der an einen Aufsatz anmutenden Setlist bleiben fast 10 Minuten übrig („wir können jetzt noch bis zu Ende „Porco Dio“ sagen). Die Band verabschiedet sich mit einem letzten Porco Dio (natürlich), und lässt das Publikum weiterhin seine neugewonnenen Italienischkenntnisse üben.
- Suppurative Necro-Parotitis in My Dying Little Girlfriend
- Withdrawal Crisis – Through the Keyhole of Madness
- Esophagus Obstructed by Loneliness and Purulent Fecal Matter
- In the Cold Room of My Restaurant, you are Dog Food
- Sucking the Abscess and Savoring the Necrotic Material
- Curiosity and Paranoia Killed Irrationally the Screaming Cat
- The Slasher in Black Latex: Acrid Aroma in Tenebris
- A Prayer from the Filthy Creatures of the Deep
- Secreting Sperm Into…
- An Open Wounded Corpse
- Chronic Obstructive Caustic Vomit
- Septic Shock Factor
- Ripped by Fury
- Eternal Putrefactive Love
- Crippling Vomit Hydrocephalus
Für Pyrexia aus den USA ist der Auftritt beim Deathfeast der aller letzte ihrer „Wrath over Europe“ Tour, die sie mit Relics of Humanity und Kakothanasy bestritten haben. Für ihre letzte Show haben sie aber ihren Live Bassisten Karl Schmidt abgeben müssen – der hat vorgestern schon mit Visceral Disgorge gespielt, und zieht jetzt mit ihnen weiter. Die Brutal Death Metal Truppe aus Long Island bringt knapp eine Woche nach ihrem Auftritt in Andernach ihr neuestes Album heraus: „Unholy„. Beim Deathfeast gibt’s davon schon den allerkleinsten Vorgeschmack mit „Path to Distain“. Jetzt gibt es das ganze Ding natürlich schon längst in Gänze zu hören, weil ich Ewigkeiten zum Schreiben brauche – daher kann ich nach mehrmaligem Hören sagen, dass es mir sehr gut gefällt. Zurück zum Auftritt: Pyrexia serviert uns einen sehr energetischen Auftritt, und das Publikum reagiert genauso enthusiastisch. Irgendwer hat Poolnudeln hervorgezaubert, die jetzt über den Köpfen der Menge tanzen. Der Rest vergnügt sich in einer sich ausweitenden Circlepit. Einer der Gitarristen scheint am liebsten selbst dabei zu sein, traut sich aber nicht in die Menge – und hüpft auf der Bühne im Kreis rum. Zwei Punkte Abzug beim ansonsten sehr guten Auftritt gibt’s aber trotzdem: finen für die Aufforderung zum rumhüpfen (ist mir egal ob es „New Jersey Style“ ist oder nicht, ich find’s immer scheisse) und den anderen dafür, dass es doch gar plötzlich aufhörte.
- Art of Infamy
- Apostles to the Grave
- Abominat
- Gravitas Maximus
- Pawn to King
- The Day the Earth Shook (Survival of the Fittest)
- We are Many
- Path to Distain – Unholy
- Rule of 2
- Confrontation
- Sermon of Mockery
Brodequin ist die Band, auf deren Auftritt ich mich im Voraus vielleicht am meisten gefreut habe. Die Amerikaner hatten letztes Jahr ein überraschendes Comeback mit „Harbringer of Woe„, nachdem sie 20 Jahre (fast) gar nichts von sich hören lassen haben. Das Trio aus Tennessee hat sich bei ihrem letzten Release selber übertroffen. Dass sie beim Deathfeast dabei sein werden, war zwischenzeitlich nicht ganz klar, da sie ihren einzigen anderen Auftritt in Europa beim Helsinki Death Fest abgesagt haben. Aber sie sind hier, und das Wetter auch gut genug, damit nicht nochmal der Auftritt der letzten zwei Bands abgesagt werden musste. Inzwischen ist es dunkel, was ganz gut zur düsteren Atmosphäre der drei passt. „Infested with Worms“ ihres Erstlings „Instrument of Torture“ macht den Auftakt, weiter geht’s mit was ganz Neuem – „Judas Cradle“, was im Publikum auf viel Zustimmung stösst. Danach wird ein Song zum Trinken angekündigt, von ihrem 2004 erschienen Album „Methods of Execution“: „Verdrinken“, Niederländisch für ertrinken und vertrinken, und gleichzeitig eine Folter- und Strafmethode. Deren mittelalterliche Auswüchse besingen die Amerikaner nämlich am liebsten. Auf der Bühne wird’s aber nicht angesprochen, zwischen den Songs kündigt die Band ihr nächstes Stück nur mit klarer Stimme an – ich mag es, wenn ich auch verstehen kann, was gesagt wird, und Brodequin muss sich für ihre Songtitel nicht schämen. Was sich wohl hinter dem poetisch klingenden „Of Pillars and Trees“ versteckt? Eine explizit beschriebene Kreuzigung. Nur der allerletzte Song ist etwas expliziter: ein Cover von Last Days of Humanity, ein Song, den sie seit seiner Aufnahme nicht mehr gespielt haben – das müsste jetzt mehr als 20 Jahre her sein. Die Aufrufe für noch einen Song kamen die drei aber nicht nach – auch wenn nicht nur im Publikum sondern auch von den Seitenlinien danach gefragt wird. Wie der Song für’s Abbauen uns näherbringt „The Show Must Go On“…
- Infested with Worms
- Judas Cradle
- Theresiana
- Verdrinken
- Diabolical Edict
- The Virgin of Nuremberg
- Flow of Maggots
- Trial by Ordeal
- VII Nails
- Slaves in the Pyre
- Of Pillars and Trees
- Spinning in Agony
- Raped in the Back of a Van (Last Days of Humanity Cover)
Und das tut sie, mit Gorgasm. Mir ihnen kommen wir zur letzten Band des Deathfeasts 2025. Die Band war 2019 das letzte Mal in Europa, also vor sechs Jahren, noch vor der Pandemie. Die Brutal Death Metal Band aus den Vereinigten Staaten spielt hier ebenfalls ihren einzigen Auftritt in Europa dieses Jahr. Nach drei langen Tagen Festival ist das Publikum zwar schon etwas müde, aber immer noch wach genug – zumindest kommt auf die Frage „Sind ihr noch wach?“ ein ziemlich überzeugendes „Yeah!“ zurück. Wie lange sich das noch bewahrheiten wird? Alle Songankündigungen wurden ebenfalls mit lautem Gekreische quittiert (bin ich hier bei einem Taylor Swift Konzert?). Der entscheidende Unterschied: Die ganze Band trägt während ihres gesamten Auftritts das Gleiche. Die Outfitwechsel würden der non-stop Brutalität schaden, die Gorgasm zutage (zunacht?) legt. Zwischen einer Auswahl aus Songs aus ihrer nun über 30-Jährigen Karriere gibt’s auch ihre neuste Single „Ravaged Corpse Decor“ zu hören. Ein Album soll Anfangs nächsten Jahres kommen, das erste Häppchen wird aber auch jetzt schon gehörig gefeiert. Gorgasm fragt nach der „grössten Circlepit“ des gesamten Festivals. Ob ich ihnen hier die Krone aufsetzen würde bin ich mir aber nicht ganz so sicher – Cephalotripsy scheint doch noch eine etwas grössere zustande bekommen haben. Denn trotz dem wuchtigen Auftritt leidet Gorgasm ein bisschen an Zuschauerschwund. Vorne war davon zum Glück nichts zu sehen, aber hinten lichten sich die Reihen. Drei Tage Festival gehen auf die Leber, und zwei Nächte Schlafmangel und Kälte haben ebenfalls ihre Spuren hinterlassen. An der Qualität des Auftritts oder des gespielten Materials lag es jedenfalls nicht. Wie man so schön auf englisch sagt: They ate.
- Clitoral Circumcision
- Dirty Cunt Beatdown
- Stabwound Intercourse
- Corprophiliac
- Seminal Embalment
- Fucking the Viscera
- Lesbian Stool Orgy
- Corpsefiend
- Infection Induced Erection
- Ravaged Corpse Decor
- Sample/Anal Skewer
- Disembodied
- Deadfuck
- Silence Follows Dismemberment
Drei Tage Death Metal Dauerbeschallung hat nun auch bei mir ihre Spuren hinterlassen. Am nächsten Tag bin ich weder frisch noch munter, und die Batterien meiner Elektronischen Geräte tendieren genauso gegen Null wie meine eigene, aber „the show must go on“ (ich muss nach Hause gehen, Unmengen an Bilder bearbeiten, und diese Review schreiben). Zum Glück läuft alles rund, nur die Schlagerbeschallung der Ultras, mit denen ich auf dem Weg nach Konstanz den Zug teile, ist mir ein bisschen zu viel.
Wie schon letztes Jahr überzeugt das Deathfeast mit einem exzellenten Billing, einer herausragenden Atmosphäre und grossartiger Organisation. Nächstes Jahr soll die Feier vom 20 bis 22 August 2026 steigen – schreibt es in eure Kalender. Die ersten Bands werden in den nächsten Monaten bekanntgegeben.