Review


Down to Earth Fest
Am 17. Mai lud DTE für die erste Edition des Down To Earth Fest in’s Werk 21. Auf dem Programm: Erstklassigen (Metallic) Hardcore und eine Prise Death Metal aus Nah und etwas Ferner.
Das Down To Earth Fest wurde von der Zürcher Band Connector eröffnet, ihr dritter Auftritt überhaupt. Auch sonst gab es (noch) nicht viel von ihnen zu hören; erst zwei ihrer Lieder wurden veröffentlicht und können „überall, wo man Musik hört, gefunden werden“ – nicht ganz, auf Bandcamp gibt’s sie noch nicht. Connector bezeichnet sich zwar als Death Metal Band, spielt aber eher (Old School) Metalcore. Leider hat ihr Auftritt etwas unter dem Mix gelitten, vor allem in den ersten Reihen. Zu Anfang des Sets konnte fast nur das Schlagzeug gehört werden, Bass, Vocals und Gitarren gingen fast gänzlich unter. Zwar wurde es im Laufe des Sets besser, aber nur hinten neben dem Mischpult näherte es sich an die aufgenommene Musik an. Zumindest wurden dort die Solos nicht zu einem komischen Quietschen reduziert, und auch der Klargesang tönte, wie er sollte.
Dry and Shattered waren als nächstes dran. Die Band aus Lausanne versprach ein „kurzes und intensives Set“ und hielten sich auch dran. Zwar umfasste ihr Set acht Songs, aber kaum einer überschritt die drei Minuten-Marke, wenn überhaupt. Aber wie man so schön sagt, in der Kürze liegt die Würze, und das Quartett, allen voran der Vokalist und der Bassist, lieferte eine intensive Performance auf und vor der Bühne. Beim Publikum kam es gut an, zwar gab’s noch keine richtige Pit wie später am Abend, aber trotzdem wurde die Menge ordentlich aufgemischt. Besseren Ton als vorhin gab’s auch, und mit etwas lauter eingestellten Monitoren ergatterten sich die restlichen Instrumente auch ein bisschen Platz im Sound – aber es gab noch Luft nach oben, vor allem vorne im Saal.
Anachronism passen nicht so ganz ins heutige Line-Up – nicht anachronistisch, sondern „anaculturalistisch“. Denn der „Jazz Death Metal“, den die Band spielt, trifft nicht den musikalischen Geschmack des meist aus der Hardcoreszene stammenden Publikums. Aber Dissonant Technical Death Metal ist auch sonst keine leichte Kost, also war es keine Überraschung, dass sich das Publikum etwas gelichtet hatte. Mitgemacht wurde trotzdem, und einige wagten sich sogar ans Headbangen, was sich bei den wechselnden Taktarten als schwierig erwies. Das Geheimnis: Den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Tempi in einem Stück treffen.
Mit Makhaira aus Deutschland stand die erste internationale Band auf der Bühne des Down To Earth Fest – und die -Bitte nach „rotem Licht“ bringt mich als Fotograf.in zum Zittern, aber dieses Mal glichen die Keylights den gehassten Farbton aus, und die Gesichter der Musiker wurden nicht so ausgewaschen wie gefürchtet. Und das Rot passt gut zu den aggressiv und wütend gespielten und gesungenen Songs der Band. Noch immer nimmt das Schlagzeug etwas überhand, aber Schlagzeuge sind auch einfach laut, vor allem im kleinen Gewölbe des Werk21. Zwar spielen die Makhaira (metallischen) Hardcore, aber langsamere, Sludgeangehauchte Teile wechseln sich mit den schneller gespielten und aggressiveren Sektionen ab – passend zum Bell Witch T-Shirt des Frontmanns. Hier besonders hervorzuheben ist der letzte Song ihres Sets, „Of Light and Darkness„.
Mit XOXO kehren wir wieder nach Zürich zurück. Die Vier nehmen sich etwas Zeit mit dem Setup und Soundcheck, und als das Set schon lange hätte angefangen haben müssen, wurde bemerkt, dass das Mikrofon des Drummers noch fehlte. Macht nichts, denn nach XOXO gibt’s eine Znachtpause. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – einer viertelstündigen Verspätung riss XOXO das Werk21 mit Violence in 8K nieder. Mit der Ankündigung, dass es in keiner Ecke des Saals noch so etwas wie Deckung gibt und sich alle im Saal in Bewegung setzen sollten, kam das Publikum in Schwung. Hinten war zwar immer noch ruhiger, aber die Pit nahm spätestens mit den verschiedensten Features von anderen Musikern zwei Drittel des Werk21 ein.
Weil es in der Location kein Essen gibt, gab’s zur Halbzeit des DTE Fest eine Programmpause, um sich zu verpflegen. Nebst Essen holen (oder das Mitgebrachte zu verspeisen) gab’s auch einige, die die Zeit dazu nutzten, sich in der Limmat abzukühlen, zu rauchen, zu trinken und darüber zu diskutieren, was jetzt straightedge ist (Magic Mushrooms) und was nicht (die heute äusserst beliebten Mate-Getränke, Kristallzucker, Spass zu haben).
Nach der Erholungspause geht’s mit Torch It, „Grey City Straightedge“ weiter. Zwar wird eigentlich Berlin als Grey City bezeichnet, aber Torch It kommt nicht aus der Bundeshauptstadt, sondern aus Giessen. Das Publikum, vom Znacht gestärkt, spricht sofort auf die Musik von Torch It an. Das Quartett aus Deutschland, allen voran der Vokalist, mosht auch munter mit. Nur kurz kam es zu einem Unterbruch – jemand ist umgefallen und hat sich auf dem Plattenboden der Konzertgrotte den Kopf angeschlagen. Nächstes Mal auf Teppichboden – und am besten auch ohne Schuhe, dann tun die Tritte nicht so weh. Die Ansage zum zweitletzten Song, der als DC II auf der Setlist vermerkt war, wurde als „politisch wie die ganze Hardcore-Szene“ angekündigt, mit obligatorischem „fuck Nazis“ – ob im Parlament, auf der Strasse oder in Uniform. Erinnert an die Ansage von Kaltwetterfront’s Revolverheld – denn das Sujet ist leider wie schon in den 1980ern aktuell und bleibt ein Dauerbrenner.
Fever Dreams geht’s zurück in die Schweiz, diesmal nach Solothurn. Wieder Metallic Hardcore, diesmal etwas metallastiger mit ganz vielen Gitarrensolos. Zwar sitzt die Reihenfolge der Songs nicht ganz, die Songs selber schon – und der kleine Patzer mit der Setlist und einer falschen Ankündigung verkleinert das Vergnügen der Band keineswegs. Sichtlich in ihrem Element gab das Quintett alles – und einer der Gitarristen strahlte die ganze Zeit das Publikum an, auch wenn auch ernstere Themen angesprochen wurden: „So lange nicht alle frei sein können, sind wir alle nicht frei – Free Palestine!“.
Mir wurde mal gesagt, dass sich Nebelmaschinen nicht für Hardcore und Grindcore Shows eignen, „weil man das einfach nicht macht“. Dogbite kümmert sich aber nicht darum, was andere denken, und nebeln die Bühne schon vor Beginn der Show zu. Mit ähnlicher Pünktlichkeit wie die Deutsche Bahn steht die Truppe aus Deutschland auf der Bühne, aber das Warten lohnt sich. Durch längeren Soundcheck macht die Soundqualität wieder einen Sprung – und schlussendlich ging es auf der Bühne ähnlich aktiv zu und her wie auf dem „Tanzboden“. Das Publikum folgt dem Aufruf der Band zu zeigen „was die Band kann“ – und gab alles, von Stagedives über klassischem Two Stepping und alles, was irgendwie sonst noch zu einem Hardcore-Fest passt.
Als nächstes dran sind die Briten von Negative Frame. Während des Soundchecks („macht alles so laut wie möglich, ohne dass der Ton sich überschlägt“) macht der Vokalist Dehnübungen. Nochmal Metallic Hardcore der Extraklasse, und endlich hört man auch die Gitarrensolos ganz vorne mit. Dazu lässt sich manchmal auch noch was Slammiges raushören. Reinzuhören ist auch hier auch den Hardcore-resistentesten Metal-Hörern zu empfehlen. Nebst den üblichen Moves des Publikums gab’s jetzt auch eine Circle Pit – mit kurzer Unterbrechung, diesmal um etwas aufzuwischen. Auch wichtig, denn die Fliesen verwandeln sich mit ein wenig Flüssigkeit in eine Schlittschuhbahn. Nebst dem eigentlichen Auftritt war der Sprung von der nahegelegenen Brücke in die Limmat das Highlight des Tages. Die Londoner sind nämlich ziemlich eifersüchtig auf den Flusszugang des Dynamos – In die Themse will/darf/soll/kann man nicht reinspringen. Und sie sei „scheisse“ – vielleicht auch wörtlich gemeint.
Zu Mindwar aus Belgien begaben sich weit weniger Leute wieder zurück ins Werk21. Das heisst: Mehr Platz für die Moshpit. Die Aufrufe des Vokalisten, etwas näher zur Bühne zu treten, wurden weitestgehend ignoriert. Denn für viele ging es ein bisschen zu wild zu und her. Ob mir bei ihrem Set oder von dem von Negative Frame (fast) ins Gesicht gekickt wurde, weiss ich nicht mehr. Ist halt etwas schwieriger, rumfuchtelnden Gliedmassen auszuweichen, als einer ganzen Person.
Auch die Belgier sind von der Limmat begeistert „es ist richtig geil, man kann vom Venue einfach in den Fluss springen“. So begeistert sogar, dass sie einen ganzen Song dem Wasser widmen. Sie seien auch schon mal auf Besuch im Werk21 gewesen, vor sieben Jahre während einer ihrer ersten Touren durch Europa. Zwar sind die meisten Schweizer Konzertlokale nicht ganz so nahe am Wasser gebaut wie das Wer21, aber es gibt trotzdem noch viele Flüsse (und Seen) zu entdecken – und dem Enthusiasmus der Zuschauer nach wären Mindwar auch ein anderes Mal willkommene Gäste – ob wieder im Werk21, oder sonst wo.
Eine gelungene erste Edition des Down to Earth Fest mit einer exzellenten Auswahl an Bands die mich als auch etwas genrefremde Person gänzlich überzeugen konnten.