Review


Rock The Hell 2025
Zur 16ten Edition des Rock the Hell luden die Festival Crew eine Auswahl an 17 Death Metal und Slam Bands aus aller Welt ins anschauliche Obere Toggenburg.
Samstag
Freitag
Freitag
Das Line-Up des ersten Festivaltags des Rock the Hell 2025 versprach viel Death Metal, und lieferte viel Death Metal. Sechs Bands aus vier Kontinenten standen auf dem Programm: Stabbing, Immortal Suffering und Emasculator aus den USA, Fatuous Rump aus Taiwan, Amada aus Mexiko und Urology aus Deutschland.
Das Rock the Hell ist ein Indoorfestival und man muss sich daher eigentlich keine Sorgen ums Wetter machen – ausser man zeltet auf dem zu Verfügung gestellten Camping, wie ich. Der Freitag kündigte sich bewölkt an, aber es sollte erst am Abend regnen. Trotzdem – früh genug anreisen um eventuell auch einen kurzen Regenschauer auszuharren, bevor man das Zelt aufbaut. Ich bin nicht die einzige mit dem Gedanken – und auch nicht die einzige mit dem Camping + öffentlicher Verkehr Killercombo, auf dem Bus nach Alt St. Johann hat es ein Leidgenosse, der mit Wurfzelt ausgerüstet noch schlechter für die 4° Nacht vorbereitet ist wie ich. Überraschenderweise blickt sogar die Sonne für den Zeltaufbau durch die Wolken, und der Boden ist angenehm vom vorherigen Regen aufgeweicht – da lassen sich die Heringe einfacher einschlagen. Mein Leidensgenosse kämpft sich mit den verbogenen Stangen seines Wurfzeltes ab. Die zwei Sekunden Aufbauzeit wurde ganz klar bei weitem überschritten und es ist fraglich, ob das ganze überhaupt je fertig aufgebaut wurde. Ein Blick auf die Decathlon Webseite zeigt, dass so ein Ding gar nicht mal so wenig kostet – und dass ich mit meinem 30 Franken Zelt, für das jetzt die zweite Festivalsaison ansteht, ein ziemliches Schnäppchen gefunden habe. Genug von der Anti-Wurfzelt Triade – jetzt wenden wir uns etwas schönerem zu, nämlich der Musik.
Urology aus Deutschland eröffneten die sechzehnte Edition des Rock the Hell mit mid-Tempo Deathgrind und einer Prise Slam pünktlich um 17:30. Für die Band ihr dritter Auftritt überhaupt – einzeln haben alle auf der Bühne, sowie der abwesende Drummer, eine Vielzahl an Referenzen vorzuweisen. Zwar war das Publikum noch etwas spärlich verglichen mit später am Abend, aber es gab genügend Personen, die anscheinend das ganze Jahr darauf gewartet haben im Kreis herum zu rennen und dementsprechend formierte sich innerhalb von den ersten Takten eine kleine aber feine Circle Pit. Laut Ansage gesellte sich zu ihrem ersten Album „Violent Shortcuts“ ein zweites, und das Rock the Hell ist gleich auch die Record Release Party dafür. Für die, die die Livedarbietung verpasst haben – „Fowl“, wie die neue Platte heisst, gibt’s auch online zu hören. Da klingt es auch etwas überzeugender als live: der Mix ihres Sets liess sie vor allem nahe an der Bühne etwas blechern tönen.
Fürs nächste Set wurden diese Kinderkrankheiten aber auch schon auskuriert, und Armada aus Mexiko überzeugten mit einem umfassenden satten Sound. Die Band aus Mexiko tanzt als einzige Band mit Corpse Paint etwas aus der Reihe, und sorgen mit orchestralen Elementen für musikalische Abwechslung. Die Truppe befindet sich zur Promotion ihres angekündigten neuen Albums im Alleingang auf Europatour und bespielt eine Auswahl an Frühlingsfestivals, unter anderem in Tschechien, Deutschland und in der Schweiz – hier exklusiv beim Rock the Hell zu Besuch. Nebst rot-schwarz-weisser Gesichts- und Körperbemalung der Band inszenierte sich Frontmann David Gonzáles Brambila mit Knochenkette und Schädelmaske, und schwingt zum ersten Song ein Zepter mit aztekischen Motiven. Performance untermalte die Musik gut – inhaltlich behandelt die Band mit ihren Texten die Aztekische Kultur, musikalisch begleitet mit orchestralen und tribalen Arrangements, die sich auch live gut in die gespielten Elemente einfügen. Zwar war die anfängliche Energie des Publikums schon am Schwinden, und die aller meisten schauten „nur“ zu – ausser ein Zuschauer der im Twostep mittanzt. Passt zu mehr als man denkt.
Nach diesem Exkurs in die mittelamerikanischen Mythen entführt Emasculator uns in die Tiefen der indoeuropäischen Mythologie. Die Band steht zum ersten Mal auf der Bühne des Rock the Hell, Vokalistin Malika Sundaramurthy war aber schon vor zwei Jahren mit Unfathomable Ruination dabei. Diesmal macht sie und ihre Mitstreiterinnen zusammen mit Stabbing und Immortal Suffering auf „Aggressive Misantrophy“ Tour Europa unsicher. Auf dem Rock the Hell präsentierte ihre Debüt EP „The Disfigured and the Divine“, das letzte Jahr veröffentlicht wurde. Abgerundet wurde die Setlist mit einem Cover von Inveracity’s „Visions of Coming Apocalpyse“. Für ihre eigenen Songs lässt sich die Bands von mythologischen Geschichten von Vergeltung inspirieren. Nicht immer ganz kindergerecht: „In diesem Song geht’s darum seinen eigenen Kopf abzuschneiden und sein eigenes Blut zu trinken“. Trotzdem gab’s zwei kleinere Gäste, die ganz vorne dem Spektakel zuschauten – einer ganz vorbildlich mit kindergerechtem Kapselgehörschutz, die andere weitaus weniger vorbildlich mit den Fingern in den Ohren. Bitte liebe Eltern – letzteres ist kein akzeptabler Gehörschutz, vor allem bei Kindern, vor allem ganz vorne bei der Bühne. Das restliche Publikum gab sich weitaus kinderfreundlicher, und bildete eine (extra langsame) Circlepit um die jüngsten Zuschauer. Als die Kinder verschwunden waren löste sie sich auf, und dem Publikum schien wieder die Energie zu fehlen, bis die Vokalistin die Menge selber aufmischte – und beim zweiten Aufruf ging’s dann aber schon ganz alleine. Und gegen Ende des Sets wurden Rufe nach einer Zugabe laut, auch wenn noch gar nicht alle Songs gespielt worden sind. Mehr als das gab es schlussendlich nicht, und das „more“ von „we want more“ wurde zu einem Gruppenbild. Übrigens – Emasculator ist die erste und (bis jetzt?) einzige Band die ich gesehen habe, die für ihre Merchpreise den aktuellen Franken-Euro Wechselkurs berücksichtigt und nominal weniger in Franken als in Euro verlangt. Ein T-Shirt wäre auch so gekauft worden, aber trotzdem eine nette Geste – und wie mir Sundaramurthy verrät, wird der Unterschied mit Trinkgeld mehr als Wett gemacht.
Immortal Suffering kommt wie Emasculator aus den USA, genau wie ihre Vorgängerinnen spielen sie Brutal Death Metal, machen das aber schon viel länger – nämlich schon seit 1994. Ihre Veröffentlichungen bleiben dafür aber überschaubar, für dieses Jahr ist eine neue Platte angekündigt, die dritte. Beim Rock the Hell zu hören war vor allem ihr neustes Material von der „Extreme Torture“ EP, die das Quartett in Gänze vorspielte. Angefeuert vom Bassisten, der mit solcher Intensität rumschreit, dass man ihn sogar ohne Mikrofon gut hört, verliert das Publikum keine Zeit zu zeigen, dass das Gespielte Gefallen findet. Und mit einer ziemlich aktiven Moshpit, einer sich immer mehr füllenden Halle und mit zunehmendem Alkoholpegel einer Grosszahl der Besucher steigt die Temperatur (fast) in den behaglichen Bereich. Diesmal verschaffte sich das Publikum mit Rufen nach einer Zugabe Gehör, und konnte vor dem obligatorischen Gruppenfoto noch einen extra Song geniessen.
Und nun zu den dritten im Bunde auf der „Aggressive Misanthropy“ Tour: Stabbing. Die Texaner sind keine Fremden auf dem Rock the Hell, und waren schon 2023 zur vierzehnten Edition des Festivals im Alt St. Johann zu Besuch. Damals ihr erster Auftritt auf dem „alten Kontinent“ – jetzt befindet sich ihr Auftritt beim Rock the Hell ziemlich genau in der Mitte ihrer zweiwöchigen Europa Tour, die sie als Headliner anführen. Die grosszügig bemessene Umbau- und Soundcheckzeit in der Planung liess die Band schon fünf Minuten vor dem geplanten Set-Start auf der Bühne los musizieren. Schon ab der ersten gespielten Note ist der Konzertraum rappel voll, und es wird schwierig, sich noch irgendwie durch die Menge zu quetschen. Wenn man trotz Durst seinen Platz ganz vorne nicht verlassen kann (oder will), dann kann man auch den Bassisten nach etwas Wasser fragen – zumindest der von Stabbing gibt auch gerne was von seinem Wasservorrat ab. Mit hochgehobener Kamera teilt sich die Menge aber wie das Rote Meer vor Moses und im Zweifelsfall wechselt man die Seite via die Moshpit. Dort hat es weniger Leute, man muss nur fest zurückschubsen und hoffen, dass der Geschubste es einem nicht gleichtut. Apropos Moshpit – ab dem ersten Riff setzte sich die Menge in Gange. Sowohl altbekannte Stücke als auch das aller neuste unveröffentlichte und noch nie im Lande gespielte Material zogen das Publikum in den Bann. Und man wartete nicht mal das Ende des Sets ab um nach noch mehr Songs zu rufen – als die Vokalistin die Bitten nach „one more song“ mit „we have two more songs“ quittierten, steigerten sich die Rufe zu fünf extra Lieder. Am Ende spielte Stabbing „Gutted by the Beast“, einer ihrer ersten Songs, ein zweites Mal als Zugabe. Zwar stellte das das Publikum nicht ganz zufrieden, aber irgendwann ist Schluss – und es gibt ja noch eine letzte Band für diesen Abend.
Last but not Least – Fatuous Rump, extra für’s Rock the Hell halb um die Welt geflogen. Das Quartett aus Taiwan, allen voran Vokalist Larry Wang, nützen die Zeit nicht nur für den eigenen Auftritt, sondern auch dem filmen/livestreamen von sämtlichen Konzerten, und den einen oder anderen Gastauftritt. Nach dem Soundcheck, natürlich auch mitgefilmt, bleibt genug Zeit für eine kurze improvisierte Standup Routine, bei der Wang das Publikum davon zu überzeugen versuchte, kein Fentanyl zu nehmen. Die vorhin erwähnten Kinder sind zur späten Stunde von Fatuous Rump’s zum Glück längst im Bett – oder zumindest nicht mehr auf dem Festivalgelände. Was für andere ein Albtraum wäre – nackt vor viel Publikum – ist für Wang Routine, und er inszeniert sich gekonnt geschlechtsteillos wie eine Ken Puppe. Zensur ist daher nur für das Waco Jesus T-Shirt des Bassisten nötig. Das Sujet ist mir erst beim Bearbeiten der Fotos aufgefallen, denn nach kürzester Zeit wimmelte die Bühne von Zuschauern, die auch gerne mal im Rampenlicht stehen (und teilweise liegen) wollen. Die Band ging dabei etwas unter – und die Musik sowieso. Irgendwann ist der Spuk vorbei. Wie ich treffend überhöre: „What a shit show“ – aber es sei nett gemeint. Zurück in’s Zelt.
Die untere Grenze der Komforttemperatur meines Schlafsackes liegt bei 5°C, in der Nacht war’s laut Wetterprognose 4°C, das liegt im „Risikobereich“. Egal, mit Thermounterwäsche und zwei Lagen Wollpullis ist mir nur die Nase weg gefroren. Das Risiko im Schlaf zu erfrieren war sowieso gering, denn mit Beschallung aus Richtung Festivalgelände von Backstreet Boys, Psy und Falco bis ins Morgengrauen war nicht an Schlaf zu denken. Und als mit den ersten Sonnenstrahlen die Musik von Kuhglocken verdrängt wird, ist es auch etwas wärmer.
Samstag
Auf dem Samstagsprogramm des Rock the Hell stehen gleich 11 Bands – ein guter Mix aus unbekannten Überraschungen, Erstauftritten in der Schweiz und einigen grösseren Namen, die ebenfalls seit einer Weile nicht mehr in der Schweiz aufgetreten sind.
Vermicular Incubation aus Frankreich eröffnete den Samstagnachmittag mit dem, für das das Rock the Hell bekannt ist: Slam. Die Band war ursprünglich ein internationales Projekt, seit letztem Jahr kommen aber alle aus Frankreich. Für’s Rock the Hell sind sie extra früh angereist, um ja nicht zu spät zu sein – der Ruf der Schweiz eilt voraus. Die weibliche Computerstimme ab Band kündigte die Band mit „We are Vermicular Incubation, we don’t come in peace“ an, und lockte das Publikum in die Halle. Gar nicht so schlecht besucht, trotz den Exzessen der letzten Nacht. Mit Alarm Sample vor „Molecular Deformity“ wachten auch die Letzten auf, und auch wenn die meisten sich nicht so nahe an die Bühne wagten, bildete sich trotzdem auf Bitten der Band eine kleine Circlepit. Der Bassist rann selber in einen kleinen Kreis auf der Bühne rum um nochmal zu zeigen wie’s geht, falls die Erinnerungen vom letzten Abend schon verblasst sind. Zu hören gab es Material von ihrer ersten und bis jetzt einzigen Platte, „Chapter of the Vermin Domain“. Acht der zehn Songs auf ihrem Debüt haben es auf die in Comic Sans verfassten Setlist geschafft. Leider nicht in der Minecraftsprache Enderspeak, mit der die Band vorzugsweise auf Instagram kommuniziert, sondern im stinknormalen lateinischen Skript. Etwas enttäuschend – dafür überzeugten sie aber musikalisch. Vielleicht entfaltet auch der ein oder andere Riff mit der Zeit sein Ohrwurmpotential, ganz im Sinne des Bandnamens. Vor einer Alien Invasion hab ich nicht Angst, folge aber trotzdem den letzten Anweisungen der Computerstimme („We are Vermicular Incubation, please buy some merch“). Für alle Fälle, falls ich den Aliens meine Treue beweisen muss. ⏚⟟⟒⋏ ⟊⍜⎍⟒.
Mit These Days and Those Days steht die erste Schweizer Band des diesjährigen Rock the Hell auf der Bühne. Hinter dem poetischen Namen des Trios steckt nicht viel Poesie, denn das Trio besingt am liebsten Sex, Drugs and Rock n’Roll (oder so), also genreüblich. Mit „Boys du Sade“ kramen sie aber noch ihre Schulfranzösischreste hervor, und inspirieren sich von den literarischen Ergüssen und weiteren Machenschaften des Marquis‘. Also ist vielleicht trotzdem etwas Poesie dabei, und die zwei Brillenträger im Trio geben der Band auch einen Hauch Intellektualismus. Übrigens – die erste Band die ich sehe, bei der mehr als die Hälfte eine Brille trägt, und wenn der Gastauftritt vom früheren Vokalisten eine Indikation ist, bestand These Days and Those Days ganz aus Personen mit schlechter Sicht und Kontaktlinsenhass. Als Brillenträgerin freue ich mich natürlich über die leider sehr seltene Repräsentation. Musikalisch lässt sich These Days and Those Days irgendwo zwischen Death Metal, Slam und Hardcore einordnen, kein Wunder also, dass trotz der frühen Stunde schon gut Bewegung in die Menge kam. Nur eines fehlte – dasselbe auf der Bühne. Das zuvor erwähnte Ex-Mitglied der Band sorgte für etwas Abwechslung, da er sich frei auf der Bühne bewegen konnte, und nicht mit Instrument und Mikrofon an Ort und Stelle verweilen musste.
Mit Cryofluid Cephalic Injector geht’s zurück nach Frankreich. Das Trio ist nicht nur mir sondern auch dem Rest des Publikums gänzlich unbekannt. Nur einen kurzen Teaser ihrer Musik haben sie bis jetzt auf den sozialen Medien veröffentlicht, mit der Ankündigung, das ein Album am „auftauen“ sei. Trotz Konkurrenz von Seite des vorübergehenden guten Wetters füllt sich die Halle gut, denn der Brutal Slam Death Metal „that freeze(s) your brain“ von Cryofluid Cephalic Injector lockt das Publikum nach drinnen. Trotz Unbekanntheit kamen die drei gut beim Publikum an, und genauso wie sich das Publikum an der Band erfreute, freute sich die Band auf der Bühne zu stehen. Zwar bringen alle Bandmitglieder Bühnenerfahrung mit, aber es ist das erste Mal, dass sie zusammen auftreten. Für einen ihrer Songs hatten sie den Vokalist von Fatuous Rump an Bord geholt, der dafür den Bassisten am Mikrofon ablöste.
Shattering Calamity ist als nächstes dran. Die Spanier veröffentlichten ihre Debüt Album „Torso Pile“ 2016, und haben erst kürzlich letztes Jahr mit der EP „Catacombs of Habitual Defilement“ ihre Diskographie erweitert. Ihr Auftritt beim Rock the Hell ist ihr Livedebüt, nicht nur in der Schweiz, sondern überhaupt irgendwo. Das Ganze fiel aber etwas kurz aus – die Band spielte nur 20 Minuten, und musste von den Organisatoren überzeugt werden, noch einen Song anzustimmen. Am fehlenden Enthusiasmus der Zuschauer lag’s nicht, denn nebst den „Huere Geil“ Ausrufen der Zuschauer – die vielleicht bei der Band nicht so ganz ankamen, bedankte sich einer aufrichtig, auch wenn grammatisch sehr falsch mit „Gracias Muchos“ für die gute Performance.
Miasmic Serum brachten am späten Nachmittag etwas Abwechslung und eine kurze Pause zwischen ganz viel Slam. Sie befanden sich gerade auf einer Mini-Wochenendtour, und spielten am Vortag schon zusammen mit Golem of Gore, die später am Abend aufgetreten waren. Den Abstecher in die Schweiz war ihr erster Auftritt im Lande. Ihr Set kündigten sie mit „kommt näher, wir spielen Old School Death Metal, geniesst es“ an. Das Publikum etwas lichter als zuvor, denn einige haben das Set der Band erwählt um während der Slampause gleich eine Festivalpause einzulegen. Ganz zum Ausruhen war ihr Auftritt aber nicht, und einige wippten ihren Kopf genug stark mit, dass es auch als Workout zählt. Genuss war also da – und wer Gitarrensolos mag, kam bei Miasmic Serum auch auf seine Kosten. Nebst den klassischen Bandshirts verkauft Miasmic Serum auch „Lethal Poison“, zumindest auf Bandcamp – ob sie’s beim Rock the Hell dabeigehabt haben oder nicht weiss ich nicht. Das tödliche Gift ist eigentlich Spühlmittel, das wahrscheinlich nur in viel grösseren Mengen wirklich tödlich wäre; dafür aber umso nützlicher bei längeren Festivals, wenn man mal was waschen muss. Also bitte mitbringen, falls ihr’s nicht sowieso getan habt, eventuell auch in Duschgel Ausführung.
Mit The Malum Process kehrte wieder eine in den hiesigen Gefilden nicht ganz so unbekannten Band auf die Bühne ein.. Im Oktober spielten sie zusammen mit Unhallowed Deliverance auf dem Slamcult, dessen Drummer sie für den Auftritt am Rock the Hell ausgeliehen haben. So tief der Bass bei Miasmic Serum hing, so hoch wird er bei The Malum Process gespielt. Wäre es umgekehrt, würde letztere Attack Attack! Konkurrenz machen, denn sie bewegen sich beide bevorzugt im Krabbengang über die Bühne – nur der Bass wird ein wenig zu hoch gehalten. Tönen tut’s aber nicht wie Attack Attack! (zum Glück) – The Malum Process spielt astreinen Slamming Brutal Death Metal, etwas technisch und sehr eingängig. Schon während dem Soundcheck wurden sie nach einer Zugabe gefragt, und durch die grosszügig bemessene Umbauzeit warteten sie genauso ungeduldig auf der Bühne wie das Publikum vor der Bühne. Kein Wunder also, dass sie mit einer grossen Moshpit empfangen wurde. Nebst ihrer neusten Single „Asleep in the Stench of Corpses“ spielten sie einige Lieder von ihrer ersten und bisher einzigen EP, „Historical Pathology“, die 2020 erschienen war. „Hail of Gein, Full of Hate“, den zweiten Song auf ihrer EP, widmeten sie der Organisation und liessen damit ihr Set ausklingen.
Das Golem of Gore eine Goregrind Band ist, wird spätestens beim Auslegen ihrer Setlist ersichtlich, denn die Songtitel sind lang und blutig, und mit 17 Songs gleicht die Liste von der Länge her einem Aufsatz. Zwar gibt es die Band nicht so lange, aber sie haben innerhalb von weniger als fünf Jahren ganze 21 EPs und Splits rausgebracht sowie ein Album. Für ihr neuste Veröffentlichung, das Album „Ultimo Mondo Cane“, das eine Woche nach ihrem Auftritt beim Rock the Hell erschienen war, nahmen sie sich etwas mehr Zeit. Das Resultat kann sich jetzt hören lassen, und beim Rock the Hell gabs schon einen kleinen Teaser dafür. Angekündigt wurde das Set mit „Danke für’s dasein und ‚only gore is real'“, letzteres neben „porco dio“ eine wiederkehrende Catchphrase der Band. Schon während den ersten Songs dreh ich mich immer wieder um, um nachzusehen ob ich mich darauf gefasst machen muss das jemand in mich rein rennt und/oder fällt. Aber nichts. Gar nichts. Entweder ist die ganze Energie des Publikums nach The Malum Process aufgebraucht, oder ich bin die Einzige, die das Ganze so richtig geil findet. Ich muss hier zugeben – ich habe ein Penchant für „schlechten“ Mix, (Harsh) Noise und alles was einem Wall of Sound nahekommt. Für einen kleinen Einblick in wie ich es gerne mag, verweise ich auf die (fast) Namensvettern von Golem of Gore, Compost Golem. Ganz vorne bei der Bühne hat es bei Golem of Gore das gleiche Etwas – weiter hintern näher beim Mischpult dann schon nicht mehr. Irgendwann fanden die Zuschauer doch noch ein wenig Energie, auch wenn’s immer noch viel weniger Wild zu und her ging als sie’s verdient haben. Die Band verabschiedet sich mit einem letzten „Porco Dio“ legte es uns nahe, dass auch jeden Tag zu sagen, und einem letzten Song. Porco Madonna.
Consumed by Vultures ist die zweite – und letzte – Schweizer Band auf dem Line Up. Die Tessiner stehen zu sechst auf der Bühne, mit zwei Gitarristen und einem Vokalistenduo. Die Brutal Death Metal Band wählte eine eindrucksvolle Art, ihr Set zu eröffneten und standen zuerst stockstill auf der Bühne, bis einer nach dem anderen mit zu „Sky Burial“ einstimmte. Zur fortgeschrittenen Stunde ist der Alkoholpegel entsprechend hoch, und ein Zuschauer, von Kopf bis Fuss mit Nicolas Cage Druck eingekleidet, wanderte auf die Bühne. Doch statt sie via Stagedive zu verlassen, entschied er sich dafür, an den Mikrophonen des Drumkits herumzufummeln, bis er von der Bühne geführt wurde. Das Mikrofonproblem wurde schnell gelöst, aber die technischen Probleme wurden nicht weniger: Irgendwann stieg der Monitor des Bassisten aus. Zwar spielte die Band ohne grosse Probleme weiter, doch es gesellte sich abermals eine weitere Person auf die Bühne – diesmal einem Tablet ausgerüstet und etwas diskreter in der Ecke, um den Monitor zu überprüfen. Ob das Problem behoben wurde oder nicht ist auch eigentlich egal, denn der Bassist vergnügte sich auch gerne in der Circlepit.
Fast acht Jahre befand sich Short Bus Pile Up im Dornröschenschlaf, seit 2016 ist die Band nicht mehr aufgetreten – und jetzt sind sie zurück auf der Bühne des Rock the Hell, ihr erster Auftritt in der Schweiz. Repulsive Display of Human Upholstery, ihr „erstes und einziges“ Album (oder, um’s genau zu nehmen, das einzige Album dass sie für ihre Diskographie anerkennen), ist 2010 erschienen. Mit im Gepäck für’s Rock the Hell hat das Quartett eine neue EP die diesen April erschienen ist, ihr erster Release seit dem vorgenannten Album. Dieses trugen sie in Gänze vor, und verliessen sich auf dessen Kultstatus um gut anzukommen – aber, auch wenn sogar mir das Album seit längerem bekannt ist, wurde die Band mit Stille bestraft, als sie nachfragten, wer ein Fan ihres Albums ist. Von hinter der Bühne neben dem Schlagzeug will ich trotz allem nicht hervorschreien, dass es mir eigentlich gefällt. Zurück im Publikum schreit irgendwer neben mir, dass Short Bus Pile UP „crazy MySpace Shit“ wäre. Irgendwie ironisch, da sie gerade zuvor ihre MySpace-Era Diskographie verleugneten. Um hier ehrlich zu sein, hat „The Most Disgusting Thing Ever Created By Man…Or Machine For That Matter“ und co. nicht viel mit der heutigen Band zu tun. Zum Schluss gibt’s noch ein paar neue Songs von ihrer EP „Volumes of Dismal Manifestations Book I“, inklusive überraschende Rapeinlage und einem Feature von, man ahnt es schon, dem Vokalisten von Fatuous Rump. Ich versuche mich nicht von Nostalgie verblenden zu lassen, und lasse die Finger davon, ein „früher ist alles besser“ in meine Tastatur zu tippen. Ist es hier aber irgendwie doch, und der Bogen zwischen Slam und Nu-Metal à la Limp Bizkit ist keiner der gespannt werden muss – auch wenn Bill Foster mit roter Baseballcap Fred Durst gar nicht so unähnlich sehen würde. Ist aber nicht auf der neuen EP zu hören, die ich sonst eigentlich ganz gerne mag, sondern versteckt sich hinter dem mysteriösen „Earache“, Ohrenweh, dem letzten Punkt auf ihrer Setlist.
Zur Freude meiner strapazierten Augen wünschte sich Cephalotripsy kein Stroboskop. Das hatte sich nämlich mit der Zeit in meine Netzhaut eingebrannt, und wenn ich meine Augen schloss, konnte ich die Lichtshow auch vor dem inneren Auge mitverfolgen. Cephalotripsy kommen, wie ihre Vorgänger, aus den USA. Sie hatten letztes Jahr mit der Veröffentlichung ihres zweiten Albums „Epigenetic Neurogenisis“ ein ebenfalls überraschendes Comeback – ihr letztes Album wurde vor 2007 der Finanzkriese veröffentlicht, ihr letztes Split Release in 2012. Ebenfalls einige Jahre zurück liegt der letzte Auftritt von Cephalotripsy beim Rock the Hell – da haben sie zum letzten Mal 2018 gespielt. Vor einem Jahr war zwar der Vokalist Angel Ochoa und Bassist Diego Sanchez auch auf dem Festival zu Gast, traten aber mit To Violently Vomit auf. Letzterer suchte man diesmal vergebens auf der Bühne, denn er war erst vor kurzem im Krankenhaus. Er sei aber im Geiste und in unseren Herzen mit uns, so die Band, und widmeten ihrem fehlenden Bassisten einer ihrer neuen Songs, „Lo Tech Non Entity“. Auch sonst gab es viel Neues zu hören – neben allen Songs von „Epigenetic Neurogenisis“ hatte nur noch eine Handvoll älteres Material auf ihrer Setlist Platz. Sowohl neu als auch alt begeisterte das Publikum, inklusive eines Grossteiles der anwesenden Bands, die sich ebenfalls unter die Menge gemischt haben um mitzufeiern.
The Creatures from the Tomb (oder auch TxCxFxTxT) schloss den Abend mit „Horrorgrind“ ab – Brutal Death Metal und Goregrind, stark von alten Horrorfilmen inspiriert. Ihr Logo ist stark an die Typographie deren Filmposter angelehnt, was heraussticht – denn es ist das Einzige auf dem diesjährigen Rock the Hell Plakat, das auch für Normalsterbliche leserlich ist. „Gfürchig“ sind die vier aber nicht, denn die Band bekundete gleich ihre Liebe zur Schweiz in fast unerkenntlichem „Schweizerdeutsch“ und forderten das Publikum auf, Ricola Werbung zu machen. Habe ich schon vorher, als ich Backstage dem kläglich hustenden Gast von Consumed by Vultures ein Bonbon mit Eukalyptusgeschmack angeboten habe. Zwar waren für den letzten Auftritt des Abends schon spürbar weniger Leute anwesend, und es wurde in der Halle gleich kälter. Aber die, die geblieben sind, sind hochmotiviert noch beim letzten Song zum letzten Mal im Kreis rum zu rennen, und ihr letztes Bier zu verschütten. Ich geniesse das Ende mit Sicherheitsabstand neben dem Mischpult, denn über 7’000 Fotos sind mehr als genug – und da hört man die Vocals ein wenig besser. Der letzte Song ist auch wirklich der Letzte, denn The Creatures from the Tomb verweigerte die Zugabe – aus gutem Grund: ihr eigentlicher Schlagzeuger war verhindert, und der, der jetzt auf der Bühne steht, hatte nur zwei Tage zum üben.
Der Abend wurde noch mit einer Playlist ausgeklungen lassen, die ich auch später im Zelt mithören konnte. Ich verabschiedete mich von den Organisatoren, den letzten Bands die noch nach den Fotos fragen (sie werden euch finden, keine Angst – und wenn ihr das lest, wisst ihr sowieso wo sie sind), einem immer noch extrem nervös und hibbelig wirkenden Mitglied der letzten Band; und machte mich auf den dunklen Weg Richtung Zelt. Irgendwann im Verlaufe des Abends fing es an zu regnen, und hörte bis am nächsten Morgen, natürlich nach Zeltabbau, nicht auf. Zum Glück ist meine Fototasche wasserdicht, Ich krieche, immer noch mit Thermounterwäsche in den klammen Schlafsack. Der ersehnte Schlaf kommt nicht, trotz dem entspannenden Trommeln des Regen auf (und nicht in!) das Zeltdach. Wieder hält mich Falkos Tribut für den nach ihm zweitbesten Österreicher Komponisten davon ab, ins Reich der Träume zu gelangen. Die angekündigte (oder angedrohte) 3-Uhr-morgens Goregrind Playlist meiner Zeltnachbarn wäre eine willkommene Abwechslung gewesen. Zumindest blieb mein Hab und Gut trocken, inklusive Zeltinneres, was bei weitem nicht bei allen Campinggästen der Fall war. Ich mache mich daran, immer noch im Nieselregen, mein Zelt abzubauen. Ein Manko hat es: es ist schwierig bis unmöglich, das Innenzelt vor dem Aussenzelt abzubauen. Aber immerhin ist es kein Wurfzelt. Das erste Wurfzelt Design wurde übrigens 2006 mit einem IF Design Award ausgezeichnet. Ist mir aber egal, da die auch e-Zigaretten im Lego design für „junge Nutzer, die eine interaktive Erfahrung wünschen“ ausgezeichnet haben – nicht sehr vertrauenerweckend. Also, Finger weg.