Review


Urtikaria Anal & VxPxOxAxAxWxAxMxC
Für ihr letztes Konzert vor der Sommerpause organisierte Copygrind einen Goregrind Abend. Eingeladen wurden Placenta Bukkake und Rectal Depravity aus der Schweiz, VxPxOxAxAxWxMxC aus Österreich, Undying Lust for Cadaverous Molestation aus Deutschland und die Mexikanische Band Urtikaria Anal.
Placenta Bukkake aus dem Tessin eröffnete diese Ausgabe des Copygrinds. Die zwei Tessiner standen vor ein paar Wochen schon einmal auf der Bühne des APA KultA – damals aber unter dem Namen Fetophagia. Was genau der Unterschied zwischen den beiden Bands ist? Das ist mir (immer noch) nicht ganz klar. Vielleicht die Mission zur sexuellen Aufklärung? Jedenfalls stimmten sie ihr Set mit einem Sample aus einem Aufklärungsvideo über AIDS an, bevor sie zu „A.I.D.S“ übergingen, was laut ihnen für „Anally Infected Dick Shot“ steht. Also doch nicht sehr pädagogisch wertvoll. Der Gitarrist versuchte sich mit einer Ansage auf Deutsch – „Wie geht’s?“. Irgendwer aus dem Publikum brüllt „Scheisse“. „Tutti Frutti Tutti Scheisse“ – und „that’s it for German“. Der nächste Song hat einen etwas holprigen Start, und die beiden diskutieren miteinander auf Italienisch, mit vom Mikrofon verzehrter Stimme. Leider hatte ich als 11-Jährige die grossartige Idee, Latein statt Italienisch zu lernen, also habe ich nicht mitbekommen, was genau das Problem war, aber nach dem dritten Anlauf lief es wie geschmiert. Wie man so schön auf Englisch sagt: „Third time is a charm“. Trotz noch etwas spärlichem Publikum kommt bei „Chlamydia Tsunami“ etwas Bewegung in die Menge, der Rhythmus ist genauso ansteckend wie die besungene Geschlechtskrankheit. Die Band beendete ihr Set mit einem Cover von „Necrophiliac Opus“ von Sordid Clot und einem „Merci Vilmal“.
Als zweites dran – Undying Lust for Cadaverous Molestation, kurz UxLxCxM. Das Trio aus Deutschland spielt ebenfalls Goregrind, steht aber als Trio auf der Bühne. Die Band bestreitet ihr Set gleich mit drei Mikrofonen allesamt auf Mikrofonständer, zwei davon mit Pitchshifter, und eines ohne für die Ansagen und die „cleanen“ gekreischten Refrains einiger Songs. Drei Mikrofonständer am Rand einer kleinen Bühne ist eine fotografische Herausforderung. Nach gründlichen Soundcheck – und mit etwas Verspätung – stimmte UxLxCxM ihren ersten Song an, „Ponce at Once“. „Sexy As Fuck“ wird den Organisatoren gewidmet, denn es ist „geil hier“, aber auch „voll heiss“. Schon jetzt waren die 1.5l Wasserflaschen auf der Bühne schon fast leer, die einzige Abkühlung auf der Bühne gab’s für den Drummer, neben dem ein grosser, aber einsamer Ventilator stand. Kein Wunder also, dass das Publikum nicht so ganz in den Schwung kam, und auch vom Aufruf der Band mitzutanzen nur langsam aus der von der Hitze induzierte Lethargie gerissen wurde. Aber gefallen tat’s trotzdem – die Band hatte ein kleines Durcheinander mit ihrer Setlist und überspringt fast einen Song. Ob sie ein kürzeres Set spielen sollen? Dass wurde mit einem lauten “NEIN!” aus dem Publikum quittiert. Ein wurde abgekürzt wird es dann am Schluss doch noch, denn sie haben ja schon etwas spät angefangen.
Aufgeholt wird die Verspätung trotzdem nicht, und auch Rectal Depravity stand etwas später auf der Bühne als geplant. Die Band brachte auch ein wenig Bühnendeko mit – ein Spielteppich, eine Gitarre zum Aufblasen und eine Boombox, ebenfalls zum Aufblasen. Zum ersten Mal gab es heute bei Copygrind nicht nur verschiedenfarbiges Licht, sondern auch etwas Kunstnebel. Als die Band nach ihrer Umziehpause wieder verkleidet auf der Bühne stand, ist der anfängliche Nebel schon verflogen, denn die Nebelmaschine ist gleich neben dem Ventilator. Zwischen jedem Song wurde wieder lange auf den Knopf der Maschine gedrückt, und die Bandmitglieder vom Nebel verschluckt. Diesmal war das Publikum etwas aktiver dabei, und schon nach wenigen Minuten gab es einen Circle Pit. Kein Wunder, denn nach den T-Shirts zu urteilen, gab es einige, die vor allem für die Schweizer Band nach Olten gekommen sind. Und vielleicht regte der ausgelegte Spielteppich auch zum Mittanzen an. Ihr Set liessen sie mit DJ Bobo’s „Freedom“ ausklingen, dass dem Publikum genauso zu gefallen schien wie ihre eigene Musik.
„Kommen Sie, kommen Sie“ lockte VxPxOxAxAxWxAxMxC – „kurz“ für Vaginal Penetration of an Amelus with a Musty Carrot – zurück in den Keller vom APA KultA. Die Band aus Österreich liess ihren Schlagzeuger zu Hause, und trat als Duo auf. Als drittes Bandmitglied stand ein Laptop auf der Bühne, der mit Bass und Schlagzeug Tracks die zwei auf der Bühne tatkräftig unterstützte. Die zwei inszenierten sich mit blutverschmierten Schürzen, die sie auch zuvor als Zuschauer bei den vorherigen Bands anhatten. Nach kurzer Absprache mit dem Publikum, ob sie Dialekt reden könnten, gab’s die restlichen Ansagen im österreichischen Dialekt „denn anders tönt es wie mit einem Stock im Arsch“. Wie schon Rectal Depravity vor ihnen ein Penchant für Kinderlieder hatte, so hatte VxPxOxAxAxWxAxMxC eine Vorliebe für Schlager, und die Samples der Band hätten genauso gut zum Après Ski gepasst, wie hier als Intro zu Goregrind Songs. Nach gemischtem Kompliment an die Schweiz – Verkehr wie in Mexico City, aber idyllisch – gibt’s ein weiteres Sample, diesmal ein Schlager Remix vom Heidi Titelsong. Zwischen Samples und ganz ganz vielen Bühnenansagen und -einlagen spielen die zwei (ein bisschen) Goregrind. Das Musikalische ging daher ein wenig unter, und die eingängigen Songs des „Austrian Goregrind Pola-Dozer“ eröffneten sich mir erst beim Reinhören nach der Show. Was dafür hängen blieb: Die öffentliche Schändung eines mitgebrachten Blåhaj mit Patches namens „Full Metal Fisch“, die Marylin Monroe Impression des Gitarristen, und die Kritik am M-Budget Wasser auf der Bühne. Nächstes Mal gibt’s natürlich Fiji Wasser für die Herren.
Fast eine Stunde nach der Zeit, zu der ihr Set angekündigt worden ist, und nach dem es offiziell auch schon vorüber sein sollte, stand Urtikaria Anal auf der Bühne. Die Band aus Mexiko macht momentan auf Europa Tour allerlei Festivals und Konzertbühnen unsicher, unteranderem die des APA KultA, ihr erster Auftritt in der Schweiz. Gleich zu Anfang erklärte der noch angezogene Vokalist, was die Zuschauer erwartete: „Es ist ganz einfach, ich zieh mich zum Spass aus.“ Das Einzige, was er bis zum Schluss anbehielt, waren ein Speedo und ein Paar Silikonbrüste. Dazwischen musste ich mich um meinen Kamerasensor fürchten, denn der BH, der die üppige Oberweite bedeckte, fungierte gleichzeitig als eine Lasershow. Davon gibt’s also zumindest von mir keine Fotos – dafür aber ein verwackeltes Handyvideo (dessen Sensor ist mir egal). Wieder heizte sich der Konzertraum auf, und weder die Masken der Instrumentalisten noch das Silikon schien aus atmungsaktivem Material zu sein, dementsprechend sind bald alle on- und off-stage schweissüberströmt. Nichtdestotrotz kommt es zur leicht modifizierten Wall of Death. Urtikaria Anal benannte diese zu „Wall of Black Kiss“ um, die eine Seite müsse mit rausgestrecktem Hintern rückwärts rennen. Hat nicht so gut geklappt, denn rückwärts rennen ist ziemlich schwierig. Was besser klappte: Ein „beliebtes Kinderspiel“ aus Mexiko, angeführt vom neuen Bassisten der Band, der das Publikum händchenhaltend im Kreis rumführte, während der Rest der Band weiterspielten.
Vielleicht liegt’s an der allgemeinen Verspätung, an der Hitze oder dass die Band für viele doch etwas zu überdreht war – aber am Schluss war das Publikum schon viel lichter als zu Anfang ihres Sets gegangen. Nach ihrem Auftritt fragte mich der Gitarrist „ob es denn immer so sei“. Vielleicht ist es einfach schwieriger, ein Schweizer Publikum mit einer Goregrind Gimmick Band zu überzeugen (genauso schwierig, wie es ist, darüber zu schreiben). Aber so wenig Publikumspartizipation gab’s eigentlich nicht; und eine Handvoll machten bei allem mit.