Review


Züri Gmätzlets Vol. IV
Für die vierte Edition des Züri Gmätzlets holte das Meh Suff Team sieben Death Metal und -core Bands ins Dynamo in Zürich. Mit dabei waren Suffocation, die gerade mit Angelmaker, Fuming Mouth und Carcosa durch Europa touren, Avulsed aus Spanien, Gutslit, die extra aus Indien angereist kamen, sowie Serrabulho, die den Abend mit Humor abschlossen.
Carcosa aus Kanada eröffneten das Züri Gmätzlets 2025. Zwar war das Dynamo um fünfzehn Uhr dreissig immer noch halb leer, aber das Deathcore-Quartett, das hier als Trio spielte, konnte dennoch das Publikum in Bewegung bringen – inklusive eines Zuschauers auf Krücken. Das Fehlen eines zweiten Gitarristen fiel nicht sonderlich auf, und die Band nützte die Bühne auch zu dritt gut aus. Carcosa wurde unter anderem für ihre Witze und humoristischen Kurzvideos bekannt. Beim Auftritt in Zürich war nicht viel davon zu hören – vielleicht die Entscheidung der Band, da die kulturellen Referenzen in Europa weniger gut ankommen als in Nordamerika. Nicht nur schien die Band die einzigen Star Wars Fans in der Halle zu sein, auch Schauspielerin und Model Uma Thurman, um der es in Carcosas song «Thurman“ geht, war dem Publikum unbekannt. Vielleicht lag es auch an der Sprachbarriere, denn die Musik konnte für sich sprechen und die „vielen Breakdowns“ kamen gut an. Einziger Kritikpunkt: Das Gekrächze des Gitarristen war etwas gar kratzig und liess am guten Zustand seiner Stimmbänder zweifeln. Ob’s ein Stilmittel ist oder der Limitation der gebrauchten Technik lag, ist nicht ganz klar. Die Band bedankte sich nicht nur bei den Anwesenden fürs so früh Da-Sein, sondern auch bei der Schweiz für die Schokolade und den Schweizertaschenmesser. Es war Carcosa’s erste Show im Lande – vielleicht das nächste Mal zu viert, und mit einem etwas längeren Set als knapp 25 Minuten.
Nach einer (ein bisschen zu langen) Pause betrat Fuming Mouth die Bühne. Die Death Metal Band aus den USA spielt Old School Death Metal, stark angelehnt an den klassischen Entombed Sound, aber mit genauso vielen Hardcore, Sludge und Crust Einschlägen. Trotz meist unverständlichen Songtexten, auch im Klargesang, waren die Thematiken der Texte der Band in ihrer Performance ersichtlich. Ihr 2023 erschienenes Album «Last Day of Sun» ist inspiriert von Vokalist und Bassist Mark Whelans Kampf gegen Leukämie und handelt vom Ableben, dem langsamen Tod; aber auch Resilienz und Widerstand. Eher Musik zum Nachdenken als Musik, um sich dazu zu bewegen, aber nach einiger Ermunterung von der Seite der Band – „get ready to push and fight and slam“ – gab’s eine ziemlich expansive Moshpit zum Bonussong „Visions of Purgatory“. Trotz extra Song fiel die Spielzeit der Band bescheiden aus und war weit unter den vorgesehenen vierzig Minuten. Grund dafür – Fuming Mouth ist eine von vier Bands, die die Europatour von Suffocation unterstützen, auch mit kurzen Spielzeiten also ein brechend volles Abendprogramm.
Gutslit wurde in letzter Minute aufs Boot geholt, nachdem Kraanium vom Dynamo Auftrittsverbot erhalten hat. Laut Kraanium weil sie „zu brutal sind“, wahrscheinlicher liegt es aber an den fast durchgehend frauenfeindlichen Texten, die am Tag der arbeitenden Frauen speziell geschmacklos sind. Gutslit fahren aber nicht unbedingt auf besseren Schienen, und gleich ihr erster Song des Sets, „Matriarch“, handelt von einer brutalen Vergewaltigung – auch wenn etwas weniger explizit, wie man’s von Kraanium kennt. Bekanntlich hört man Brutal Death Metal aber nicht für die Textinhalte – tu ich auf jeden Fall nicht – sondern für die Musik an sich. Hier überzeugt Gutslit mit erstklassigen Riffs und Drumming und Vocals, also insgesamt ein überzeugendes Paket von Brutalität. Nicht überraschend also, dass das Publikum richtig in den Gang gekommen ist und die ersten Crowdsurferinnen fast zeitgleich von der Menge nach vorne getragen wurden. Nur zum Schluss kühlte es ein wenig ab, denn jemand hatte irgendwo am Rande der Moshpit hingereihert – vielleicht lag’s am zu vielen im Kreis rennen oder einfach nur am zu vielen Bier – oder beidem. Wer die Inder beim Züri Gmätzlets verpasst hat, kann sich auf ihre Festivaltour im Sommer freuen, wofür sie nochmal nach Europa reisen. Ob die Tour sie wieder zurück in die Schweiz führt, ist noch nicht bekannt, aber sie werden beim Brutal Assault in der Tschechei und beim Party San in Deutschland zu sehen und hören sein.
Mit Avulsed aus Spanien kehrte das Programm wieder in Richtung Old School zurück. Zum ersten Mal steht die Band mit neuem Line-up auf der Bühne. Nebst dem Gründer der Band, Vokalist Dave Rotten, spielte nur der Schlagzeuger schon für die Band, und das auch nur seit 2023. Ebenfalls zum ersten Mal spielen die Spanier ihr neustes Album live. „Phoenix Cryptobiosis“ wurde anfangs März von Rotten’s eigenem Label Xtreem Music veröffentlicht und ist ihr erstes Album seit über zehn Jahren. Nebst Songs von ihrem neusten Album spielte das Quintett Songs aus fast ihrer gesamten Schaffungsgeschichte, angefangen mit „Stabwound Orgasm“ aus dem gleichnamigen zweiten Album. Leider waren bei den ersten Songs die Vocals fast gänzlich im Mix verschwunden, sowohl im Saal als auch auf den Monitoren der Band. Anfängliche Soundschwierigkeiten waren aber schnell überwunden und dämpften das Getobe sowohl vor als auch auf der Bühne nicht. Für den „neuen Song über die Liebe“, „Blood Monolith“, goss Frontmann Rotten „Blut“ aus einem Schädel über sein Gesicht, seinen entblössten Oberkörper und den Bühnenboden: „Tschuldigung für die Schweinerei“. Die rotierende Besetzung des Lichtpults wurde der Performance ein bisschen zum Verhängnis – denn das rote Blut verlor im ebenso roten Licht an Farbe und wurde fast unsichtbar. Gegen Ende der Performance wurde jedoch der Knopf für das Keylight entdeckt und erhellte das blutüberströmte Gesicht des Frontmanns.
AngelMaker traten gleich mit zwei Sängern und drei Gitarristen auf die Bühne. Ob Letzteres für eine Deathcore-Band mit so vielen Breakdowns nötig ist, fragt sich – dafür gab’s aber etwas Abwechslung durch die zwei Vokalisten. Carcosa Vocalist Johnny Ciardullo steht ebenfalls für Angelmaker auf der Bühne. Die Carcosa-Regenjacke hatte er für ein Gutslit-Shirt eingetauscht und das Mikrofon für eine Gitarre. In der Zwischenzeit ist es im Dynamo auch etwas wärmer geworden, und obwohl die Kanadier vom grössten Teil des Publikums zum ersten Mal live gesehen werden, kam das Publikum schnell in Gange. Leider spielte Angelmaker ebenfalls etwa 15 Minuten weniger als im Zeitplan eingeplant, und dementsprechend war die Wartezeit bis zum Auftritt von Suffocation lang.
Suffocation ist auf „Embrace the Suffering“ Europa Tour zusammen mit Carcosa, Fuming Mouth und Angelmaker. Ebenfalls dabei sind Melancolia, die aber nicht beim Züri Gmätzlets spielten. Suffocation ist schon letztes Jahr zur Feier ihres letzten Albums „Hymns from the Apocrypta“ quer durch Europa gereist und hat diesmal wieder viele Songs ebendieses Albums mit im Gepäck. Natürlich durften aber auch Songs wie „Effigy of the Forgotten“ vom gleichnamigen Debütalbum der Band nicht fehlen. Wenig überraschend tobte die Menge für den Headliner und sorgte für das eine oder andere umgestossene Bier – inklusive eines, welches mich tränkte und meine neue Kamera „taufte“. Zur moralischen Unterstützung von Kraanium trug einer der Gitarristen von Suffocation das am vorherigen Tag verkaufte „Cancelled by Dynamo“ Shirt der Band. Das T-Shirt war aber nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum und hinter der Bar anzutreffen – und auch wenn die Band nicht auftreten konnte, waren sie als Zuschauer dabei.
Bevor Serrabulho als letzte Band des Züri Gmätzlets auftreten konnte, wurde die Bühne umdekoriert, denn das von Suffocation gestellte Schlagzeug und allerlei weitere Technik ging weiter auf Tour. Serrabulho brachte ihr eigenes Glitzerschlagzeugset mit, inklusive Teppich. Auch dabei waren, zur Freude des etwas spärlicher werdenden Publikums, aufblasbare Strandbälle und Ballons. Zwar sind einige schon nach dem Set von Suffocation gegangen, die, die aber geblieben sind, halfen enthusiastisch beim Aufblasen der vorher genannten Props mit. Gleich zu Beginn des Sets von Serrabulho holte die Band einige Fans auf die Bühne, während sich ihr Vokalist, der sich als „DJ Bobo“ vorstellte, direkt in die Circlepit begab. Wieder zurück auf der Bühne zerlegte er ein Kissen und warf die Füllung ins Publikum. Die Schaumstückchen klebten schön an den Schuhen und waren wohl am nächsten Tag im ganzen Haus, vielleicht sogar der ganzen Stadt zu finden – nicht sehr ökologisch. Laut Vokalist war aber genau das nötig, „um die Party in den Gang zu bekommen“. Dies klappte ganz gut, und Frontmann Carlos Guerra entschied sich, die Party vom Dynamo Saal bis zum Ufer