Review


Traumatomy, Oral Fistfuck & Calcined
Wie man ein Konzertlokal in eine Sauna verwandelt? Man organisiert ein ausverkauftes Death Metal Konzert. Zumindest hat das Slamcult im AKuT Thun erreicht und liessen die Temperaturen und Gemüter mit Traumatomy, Oral Fistfuck und Calcined steigen.
Calcined aus Fribourg eröffneten die Show. Das Quartett aus der Westschweiz gab sich ungewöhnlich theatralisch für eine Death Metal Band – oder zumindest der Vokalist, der sich die Seele vom Leibe schrie, und die Worte mit Gestik und wildem Gesichtsausdruck unterstrich. Ebenfalls ungewöhnlich: Die gewählte Thematik der Texte der Band. Beim Slamcult stellen sich normalerweise Bands zur Schau, deren Texte genauso gut ins Drehbuch eines Splatterfilm aus den 80ern passen. Calcined dagegen inspiriert sich an die Fantasiewelten von Tolkien und co. und besingen Berge, das grosse Ungewisse (also Drachen) und die Natur. Nur „Children into the Furnance“ passt ganz gut zu beidem. Die Band punktete beim Publikum mit gutem Sound und Atmosphäre, sowie einer exzellenten Performance. Das einzige was nicht sizt – laut Frontmann – ist das Deutsch. Aber: Französisch geht auch (zumindest bei einem Teil des Publikums), und „Danke Vilmal“ ist mehr als genug. Und sonst kann man die Ansagen auch auf Englisch machen, wir sind’s gewohnt.
Next up – Oral Fistfuck. Original eingeplant waren Chilenisch-Amerikanische Band Esophagus. Wegen einem Krankheitsfall in der Familie eines Bandmitglieds haben sie aber ihre Europatour mit dem heutigen Headliner Traumatomy abgesagt. Als Ersatz hat das Slamcult Organisationsteam Schweizer Band Oral Fistfuck gefunden. Mit den Winterthurern kehren wir zum namensgebenden Genre des Organisators zurück – Slamming Brutal Death Metal. Der Vokalist inszeniert sich genauso theatralisch und expressiv wie sein Vorgänger. Nur etwas weniger melodramatisch – er erinnert eher an einen Animator in einem Kinderferiencamp als an den Antagonisten einer Oper. Frontmann erzählte vor (fast) jedem Song ausführlich über dessen Inhalt – Sand, und aus was der besteht, warum man Einsiedlern in Berghütten nicht trauen kann, und wie es ist, nie genau den richtigen Gitarrenton hinzubekommen und sich immer mehr Equipment kauft – bis man vom nuklear betriebenen Verstärker träumt. Beim Fotografieren gibt’s ebenfalls das „Gear Aquisition Syndrome“, kurz GAS; denn der Autofokus ist nie schnell genug, das Objektiv nie scharf und lichtstark genug, und das Teleobjektiv kommt nie genug nahe an den Vogel ran – auch wenn man sich eigentlich gar nicht für Ornithologie interessiert. Und vielleicht wäre eine nuklear betriebenes Fokusiersystem auch gar nicht schlecht, um die Kapriolen der Band einzufangen. Schon zur Hälfte des Sets ist sowohl Band als auch Publikum schweissüberströmt, und es herrschte ähnlich hohe Luftfeuchtigkeit wie im Kühlturm eines Atomkraftwerkes. Das Stosslüften zwischen den Sets hilft nur bedingt.
Traumatomy aus Russland sind beim Slamcult keine Fremde. Vor zwei Jahren waren sie zum ersten Mal in Thun zu Besuch, damals zur achten Edition zusammen mit Cerebral Incubation, Epicardiectomy und .375 Homicide. Wegen Ausfall von Esophagus, mit denen die diesjährige „Slamming Symbiosis“ Tour geplant worden ist, ist Traumatomy nun alleine unterwegs. Macht nichts aus, jetzt gehen sie ihre Slam-Symbiose an jedem Abend mit einer anderen Band ein. Nebst altbekannten Songs spielte Traumatomy auch einiges an neuem Material das noch nicht zu hören bekommen ist – inklusive zwei Songs die es auf einem zukünftigen Album geben wird. Songtitel wurden weder angekündigt noch auf einer Setlist vermerkt, wir sind also gespannt. Die Band spielte ein wenig kürzer als geplant, trotz Zugabe, „nur für uns“. Und beim zweiten Mal Ruf nach „one more song“ gab die Band nicht nach „wir müssen uns ausruhen und chillen“. Letzteres auch wortwörtlich – denn der Schweiss trieft aus jeder Pore der Band und der Zuschauer. Nach Auftritt wird wieder gelüftet, und das Publikum strömt nach draussen auf die Veranda des AKuT.
Das nächste Slamcult findet übrigens am 16ten August statt, mit Relics of Humanity, Dekathexis und Ailurophobia – und wenn bis dahin der Golfstrom nicht kollabiert, wird’s noch heisser.