[2018] Anachronism – Orogeny

Album-Review zur «Orogeny» von «Anachronism»

Facts & Figures

Band: Anachronism
Herkunft: VD, CH
Genre: Dissonant Death Metal
Datum: 05.07.2018
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Line-Up
Vocals & Guitar: Lisa Voisard 
Guitar: Manu Le Bé
Drums: Florent Duployer

Track-Liste
1. Anthropocene
2. Cryptobiosis
3. Aware of this Descent
4. Orogeny
5. Hidden Relief
6. Neurodegeneration
7. Cursed be the Senses
8. Perfect Asymmetry
9. Endotherm
10. 11’034

 

Das Album

Lärmiger Death Metal mit technischer Ausprägung und (sehr) leichtem Deathcore Einschlag. Anachronism’s Orogeny entfaltet eine unglaublich Dichte Atmosphäre, ohne dabei jemals Brachialität oder Groove zu vergessen. Ermöglicht wird dies durch einen Fokus auf Repetition um eine psychedelische Atmosphäre aufzubauen, aber mit genügend songwriterischer Raffinesse, dass dies nie mäandrierend wirkt, sondern stets ein roter Faden unter all dem dichten Lärm zu finden ist. Aufgelockert wird das ganze zudem durch freche Wechselspiele zwischen den Gitarren, befriedigend unmenschlichen Growls und dem schlicht abartigen Drumming, welches dem Album eine Technical Brutal Death Note beifügt und dadurch auch hilft, es aus der Masse an gutem lärmigen Death Metal hervorzuheben. Man kann, und darf, den Vocals und dem Gitarrenspiel vorwerfen, zu statisch zu wirken. Aber wahrscheinlich würden noch mehr Spielereien und noch mehr Dynamik dem grundsätzlichen Impetus des Albums widersprechen. Die gewollte partielle Monotonie, wie die bereits angesprochene Repetition, heben die bedrohliche Atmosphäre des Albums hervor und erzeugen somit einen musikalischen Mehrwert. Und schlussendlich werden genügend groovige,aggressive, verspielte oder auch melodische Momente eingestreut um eine befriedigende Dynamik zu entfalten. Diese Momente werden halt nicht zelebriert ins Rampenlicht geworfen, sondern müssen sich aus dem lärmigen Morast der Songs hervorkämpfen, um ihren kurzen Moment in der Sonne zu erhalten.

Abgerundet wird dies durch eine stimmige Produktion, welche eine befriedigende Rohheit präsentiert, ohne dass dabei irgend ein Element der Musik untergehen würde. Zudem ein lyrisches Konzept, welches angenehm gut geschrieben ist, versehen mit einem erfrischenden naturwissenschaftlichen Ansatz, und eine Art fröhlichen Nihilismus präsentiert.

Die Songs

Das Album beginnt mit dem grossartigen „Anthropocene“, welches von Anfang an die Marschrichtung vorgibt. Brachiales Drumming und übersteuerte Riffs, angereichert mit Hochfrequenzspielereien formen eine düstere Atmosphäre und besingen artgerecht den inhärenten Dualismus des Menschen zwischen Genius und Selbstzerstörung. Spätestens Wenn dann bei Minute 2:38 ein grossartiger Groove mit wechselseitigen Spielereien der Gitarren einsetzt, ist ein freudiges Lächeln vorprogrammiert.

„Aware Of This Descent“ als nächstes Highlight bringt stampfenden Downtempo-Groove ins Feld, angereichert mit den bereits beschriebenen schönen Spielereien der Gitarren. „This is a war between the body and the mind” sind dabei die Worte, welche den Song eröffnen und eine schöne Erörterung des degenerativen Prozess namens „menschliches Älterwerden“ einleiten.

Weiter mit „Orogeny“ (Der Prozess der Gebirgsformung) der die melodische Seite von Anachronism etwas in den Vordergrund rückt und schon fast verträumt wirkt, oder vielleicht eher veralbträumt. Dabei wird der geologische Prozess der Gebirgsformung schön als Metapher für die Problematik des ökonomischen Wachstumswahns verwendet und endet mit dem schönen Vierzeiler „Change your look / Inhale the air in a different way / Leave some space to the clouds / Let the ground tremble“ als positive Beschwörung einer alternativen Perspektive. Dabei sehr schön emotional dargeboten durch Lisa Voisard’s Growls.

Dann folgt „Hidden Relief“, , elektronisch untermaltes Spoken Word. Dies kann als willkommene Verschnaufpause oder unnötigen Unterbruch der Sinnesüberlastungsatmosphärik gewertet werden. Auf jeden fall ein netter Text, der aber eine etwas intensivere Sprechperformance verdient hätte. Intensiv wird es dafür aber mit „Neurodegenration“, der vorneweg und ohne Unterbruch die bisher etablierten abrasiven Qualitäten des Albums zelebriert. „Cursed be the Senses” wird dann schon wieder geradezu melodisch in schöner Lyrik ein introvertierter Blick auf die gnadenlose Verfremdung unserer Sinne geworfen. „Perfect Asymetry“ ist danach nicht nur ein hübscher Songtitel, sondern auch ein gelungener Tech-Death Song, der etwas mehr auf die Tradition dieses Genres Bezug zu nehmen scheint. „Endotherm“ und „11‘034“ verabschieden den Hörer instrumental, einmal technisch-brachial und einmal sphärisch-schräg, aber in beiden Fällen auf sehr stimmungsvolle Art und Weise.

Bewertung

„Orogeny“ ist eine grossartige Addition zum kleinen aber feinen Feld des dissonanten Death Metal. Es wird dem Genre gehuldigt und doch gleichzeitig eine eigenen Identität gekerbt. Anachronism dürfen sich mit einigen Lorbeeren schmücken und werden, wenn die Welt ein gerechter Ort ist (Ha!), bald in einem Atemzug genannt werden mit Bands wie Pyrrhon, Artificial Brain, Gigan oder sogar den Gründervätern Gorguts.