Review


Steinbock DeathFest III
Für die dritte Edition des Festivals luden die Organisatoren des Steinbock Deathfest sieben Brutal Death Metal Bands aus allen Ecken Europas in die Ölfleck Eventbar in Frauenfeld ein und verwandelten die Biker Bar temporär in einen der wenigen Orte, wo ein Torsofuck T-shirt eine sozialverträgliche Bekleidung ist.
Als Auftakt des Festivals betraten Grotesquerie die Bühne als Erstes. Die Band sind die einzigen Schweizer auf dem diesjährigen Line-Up. Ausser dem Drummer – der wurde extra aus Australien eingeflogen und hatte einen 32-stündigen Weg hinter sich, was er sich aber während des Auftritts nicht anmerken liess. Die restliche Besetzung der Band hatte eine etwas kürzere Anfahrt – sie sind aus Lausanne, und schon zum zweiten Mal beim Steinbock Deathfest zu Gast. Das erste Mal spielten sie als Teil von Kakothanasy bei der Erstedition des Festivals. Grotesquerie bezeichnet sich als „spontan fermentiert“ und spielt eine Mischung aus Death Metal und Goregrind. Der Konzertraum der Ölfleck Bar war noch etwas leer zu Anfang, füllte sich aber schnell nach dem Erklingen der ersten Riffs. Zu hören gab es sowohl altes Material als auch Songs die noch nicht veröffentlicht wurden. Was genau? Das bleibt Grotesquerie’s Geheimnis, denn sie kamen ganz ohne Setlist aus.
Necrovile aus Rumänien ist als zweites dran. Da das schöne Wetter gleich nach Ende des letzten Sets nach draussen lockte, spielten sie ebenfalls zuerst vor einem spärlichen Publikum. Dem Aufruf, eine Circle Pit zu formen ging man weniger als halb nach – zwar machte das Publikum Platz für eine, aber niemand getraute sich als erster dann auch im Kreis zu rennen. Ein bekannter Gast auf der Bühne war der Bass, der ebenfalls das Bühnenbild von Grotesquerie zierte, und auch für Bleeding Display wieder zurück auf die Bühne wandert. Leider spielte aber der Bassgurt desselben nicht ganz mit und löste sich mehrmals, weshalb der Bassist im Sitzen spielen musste. Der Vokalist Zum Glück gab’s auch Nachmittagstrinker im Publikum, und der Gurt wurde mit einer ausgeliehenen Dichtung des Bügelverschlusses einer Bierflasche fixiert. Der Vokalist und Gitarrist der Band stellte aber nicht nur seinen Erfindergeist zur Schau, sondern auch sein Sprachtalent. Die Zuschauer wurden auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Portugiesisch gegrüsst und gedankt, und bei jeder Ansage von einem Songtitel befand sich irgendwo ein wohlplatziertes „Fuck“. Das Trio aus Rumänien spielten ihr letztes Album „Engorging the Devourmental Void“ von 2013 fast in Gänze, nur ein einziges Lied, „Dripping Spleen“, ist auf ihrer ersten Platte „The Pungency of Carnage“ zu hören. Am Anfang ihres Sets hörte sich der Bass etwas komisch an, was aber auch daran liegen könnte, dass der Sound nicht fürs neben-den-Monitoren-knien ausgelegt ist, und ich mir einfach einen besseren Platz fürs fotografieren hätte suchen sollen. Doch irgendwann fügte der Bass sich auch harmonisch in das Gesamtgefüge von Gitarre und Schlagzeug ein, und Necrovile lieferten erstklassigen Brutal Death Metal. Insgesamt ein tolles Gesamtpaket, das mich sowohl auf der Bühne als auch beim späteren Reinhören überzeugt hat.
Suffocate Bastard aus Deutschland spielt ebenfalls Brutal Death Metal, die Band gibt’s fast genauso lang und ihr Output ist ähnlich überschaubar wie Necrovile’s. Ihr letztes Album „Devouring the Void“ ist aber um einiges später in 2023 erschienen, und die Band hatte, nebst einer langen Liste an Songs von ebendessen, auch einige ältere Songs dabei. Das Publikum feiert es ab, und nach ihrem Auftritt gab’s sogar eine kleine Schlange vor dem Merchstand. Alle Ansagen der Band wurden zunächst auf Englisch getätigt, bis der Vokalist auch dahinterkam, dass die allermeisten im Publikum nicht nur Deutsch verstehen, sondern auch sprechen. Im Thurgau klingt’s halt besonders komisch.
Die meisten Brutal Death Metal werden ihrem Namen nicht gerecht – bei Suffocate Bastards ist niemand erstickt, und Necrovile hatten auch weder was besonders Ekelhaftes noch etwas mit Leichen gemacht. Bleeding Display lieferten aber eine blutige Darstellung – der Vokalist betrat die Bühne blutüberströmt, während sich die Gitarristen und der Bassist nach dem Soundcheck ein mit Blutspritzern übersätes weisses T-Shirt anzogen. Sogar die Setlist wurde mit Clipart Bildern von Blutlachen und -spritzern verziert. Die Band gibt es unter diesem Namen seit 2000, seitdem hatten sie drei Alben veröffentlicht. Zu hören beim Steinbock Deathfest gab es Songs vom 2014 veröffentlichten „Deviance“ und „Drawn of a Killer“, ihr letztes Album von 2022. Schon lange bevor ihr Set zu Ende war, wurden Rufe nach „one more“ laut. Aber eigentlich nicht schlecht – dann kann man sich sogar über mehr als eine Zugabe freuen. Gegen Ende ihrer Vorführung sind von den Blutspritzern nicht mehr viel übrig, die sind in der Hitze des Gefechts zu grossen pinken Flecken verflossen. Es scheint doch praktischer, sich ein T-shirt permanent einzufärben – das würde auch nicht auf’s Equipment abfärben.
Vulvectomy hatte am Freitag vor dem Steinbock Deathfest ihr viertes Album „Aberrant Vaginal Gestation“ veröffentlicht. Zur ersten Promotionsshow für ihr neustes Album gab es vier der zehn Songs ihrer neusten Platte live zu hören. Als Teaser, damit auch wer das Album kauft, aber auch damit ihr älteres Material nicht zu kurz kommt. Zusätzlich spielten sie mit „Zombie Apocalypse“ ein Mortician Cover, das die Show gegen Ende hin etwas verlangsamt – um dann bei den zwei letzten Songs wieder volle Fahrt aufnimmt. Beim späteren Reinhören präsentiert sich „Aberrant Vaginal Gestation“ als eingängiger und Brutal Death Metal mit Groove und einer Prise Slam. Die zusammengestückelten Songtitel folgen dem gleichen Schema wie der Albumtitel (negatives Adjektiv + Genital(teil) + medizinischer Fachbegriff). Abstossend, aber das gehört zum Genre. Dazu muss man sagen, dass das Albumcover im Vergleich zu ihren vergangenen Werken um einiges geschmacksvoller daherkommt.
Für Festival-Headliner Despondency traut sich das Publikum endlich etwas näher an die Bühne ran. Für mich ist zwar der Ein-Meter Respekts- (oder Angst-?) Abstand ganz praktisch wenn’s keine Fotopit gibt, macht sich aber auch nicht sonderlich gut auf Fotos, weil das Publikum dann so spärlich aussieht. Mit dem angetrunkenen Mut präsentierten sich die Zuschauer auch etwas enthusiastischer, und konnten Despondency gebührig anfeuern. Die Band aus Deutschland präsentierte beim Steinbock Deathfest eine Reise durch ihre Diskografie, die trotz ihrem über 25-Jährigen Bestehen „nur“ drei Alben umfasst. Am meisten gab’s vom letzten Jahr erschienen „Matriphagy“ zu hören, doch auch Fans ihres früheren Outputs kamen nicht zu kurz. Musikalisch ist Despondency der eher technischen Seite des brutal Death Metal einzuordnen, ihre Musik bleibt aber sehr einprägsam.
Slam Duo .357 Homicide schloss das Konzert ab. Ihr Auftritt beim Steinbock Deathfest wurde als ihre erste und einzige Show in der Schweiz angepriesen, mit einer „exklusiven Set-list“. Als letzte Band im Line-Up spielten sie vor lichteren Reihen. Zwar begaben sich viele Zuschauer schon auf dem Weg nach Hause, aber die, die geblieben sind, glichen es mehr als aus, und bildeten schon zum ersten Song eine ziemlich aktive Moshpit. Zwar treten die Jungs aus Manchester nur zu zweit auf – einer an der Gitarre, der andere am Schlagzeug, und die Vokals geteilt, aber auf der kleinen Bühne der Ölfleck Bar macht das nicht so viel aus. Zudem wanderte Gitarrist Mat immer wieder von der einen Seite der Bühne zur anderen, und für „Incremation“ bot das Duo „Switzerland Finest“, Marvin von der Schweizer Band Pusboil, auf die Bühne damit dieser die Vokals beisteuerte. Da hat Paleface Swiss starke Konkurrenz. Nach seinem Auftritt konnten auch weitere Zuschauer die Bühne mit .357 Homicide teilen – wer die Gelegenheit genutzt hat weiss ich nicht, denn es ging auch für mich langsam nach Hause.