Review


SUNN O)))
Drone Kultband Sunn O))) beehrt Europa mit einer Minitour von nur sechs Auftritten, einer davon, und der einzige in der Schweiz, im Dachstock in Bern, und brachte dessen Holzboden zum Vibrieren.
Umgeben von einem Halbkreis von 8 Verstärkertürmen, natürlich markentreu von Sunn Amps, der Marke, die der Band ihren Namen verlieh. Sonst gibt sich die Band minimalistisch mit zwei Gitarren, zwei Pedalboards. Zwei Minuten vor dem angekündigten Konzertstart füllte sich die Bühne langsam aber sicher mit Nebel. Ein Grüppchen neben mir ist sich, im Anblick der ganzen Verstärker, nicht sicher, ob es eine so gute Idee ist, ganz vorne zu stehen. Wenn’s „so wie in Vevey“ sein wird, würden sie sterben, meinte einer von ihnen. In Vevey sind Sunn O))) 2016 zu Besuch gewesen, das Konzert wurde für ein Live-Album aufgenommen. Mir wurde von einem der Techniker gesagt, dass sich die Band nicht gerne fotografieren lässt, und ich mich so unauffällig wie möglich verhalten sollte. Ich dachte mir, dass ich nach dem ersten Song nach hinten verschwinden werde – wie es sich herausstellte, nicht ganz optimal – bis zur ersten Klangpause dauerte es 45 Minuten.
Die Bühne füllte sich weiter mit Rauch, es fing an, chemisch zu riechen, und einige im Publikum hielten sich die Nase zu. Ganz vorne am Bühnenrand entstand eine undurchsichtige Mauer aus Licht, die Lichtsäulen hielten durch den dichten Nebel ihre Form. Hinter der Nebel- und Lichtwand betritt die Band die Bühne. Sunn O))) tritt für diese Tour als Zweiergespann auf, unter dem Namen Shoshin Duo. Sunn O))) betrat die Bühne mit erhobenen Händen, während der erste Ton erklang. Der Holzboden des Dachstocks vibrierte unter den Füssen der Anwesenden, bis auch der ganze Körper mitvibrierte. Eine abgestellte PET- Flasche meines Nachbarn tanzte über die Holzbox auf der er sie abgestellt hatte.
Unermüdlich arbeiteten die Nebelmaschinen weiter, die Band ist unerkennbar, genauso wie die Personen um mich herum. Die Vibrationen liessen die Füsse kitzeln, und die Härchen auf meinen Armen zitterten mit. Ich bin froh, dass ich eine kleine Tasche für meine Objektive mitgenommen habe – wenn ich sie irgendwo abgestellt hätte, wären sie genauso über die Oberfläche gerattert wie die Flasche. Das tut der Elektronik nicht besonders gut – auch wenn ich’s trotzdem (fast) immer mache.
Die mitgebrachte Lichtinstallation der Band, drei Exemplare IVL Photon von Minuit Une, die hinter dem Wall aus Verstärkern hervorragten, projizierten Lichtebenen über die Band und in die Menge. Am Eingang des Dachstocks hing eine Warnung, dass während dem Konzert Laser und Stroboskop zum Einsatz kommen könnten. Zur Sicherheit versuche ich, meine Kamera vor dem Licht zu schützen, nicht dass die noch den Sensor frittieren. Reinschauen sollte man auch nicht, auch wenn die Lichtebenen auch die Zuschauer touchierten. Periodisch durchbrach einer der zwei Musiker die Lichtfläche, die sich wie ein schützender Mantel über die Bühne legte, mal mit der Hand, mit der Kapuze, mit der hochgehaltenen Gitarre um die Töne ausklingen zu lassen.. Die Bewegungen waren langsam und meditativ, genauso langsam wie die Töne, die sie produzierten. Der Kunstnebel quirlte weiter, von der Laserinstallation erhellt, zischend stiessen die Nebelmaschinen immer mehr aus. Ganz vorne in der Mitte sind die Vibrationen am stärksten, es schnürt einem fast die Kehle zu und die von Sunn O))) produzierte Klangwand geht durch Mark und Knochen. Mit der Zeit wird es fast beengend.
Auf der Flucht nach hinten verlor ich mein Notizbuch irgendwo in der Menge. Normalerweise mache ich mir meine Notizen digital, das Tippen geht schneller, der Text wird gleich mit meinem Laptop synchronisiert und ich muss nichts abtippen, aber irgendwie schien es mir passender das Ganze ganz analog zu schreiben. Der Finder meines Notizbuches bemerkte meine panischen Suchversuche, und nach einem längeren Hin und Her – die dröhnenden Gitarren von Sunn O))) machten jegliche Kommunikationsversuche fast gänzlich unmöglich – stellte sich heraus, dass er das Notizbuch an der Bar abgegeben hatte. Ich bekam es irgendwann wieder zurück, und suchte wieder einen Pfad nach vorne – die Menge ist dicht, vor allem für ein Konzert an einem Dienstag. Einige Leute sitzen oder liegen am Boden, um die Vibrationen zu spüren.
Nach etwa einer Dreiviertelstunde – schon ein langs Set in anderen Genres – unterbrachen Sunn O))) ihr Set für eine kleine Pause. War das ihr erster Song? Auf der Setliste, eigens für den Auftritt im Dachstock konzipiert, standen drei weitere. Das bläulich-weisse Licht wurde rot, die Band stimmte einzelne Töne an, die sich mit Wassergeräuschen abwechselten, dann setzte das Stroboskop ein, die Lichtbänder wurden kleiner und kleiner, und die Band dröhnte weiter. Ich entschied mich gegen eine Bahnhofsübernachtung, und machte mich auf den Weg nach Hause. Draussen dröhnte es weiter, fast genauso laut wie drinnen mit Hörschutz.
Der Auftritt von Sunn O))) im Dachstock in Bern war mehr ein immersives Erlebnis als ein Konzert, und die Band liess die Grenzen zwischen Musik und Kunstinstallation verschwinden. Nur live gespielt kann sich ihre Musik auch entfalten, und sich so anfühlen und klingen wie sie soll. Sunn O))) ist übrigens eine der ersten Metal Bands die ich kannte – denn ihnen wurde mal auf dem schon lange gelöschten Blog „The Weirdest Band in the World“ einen Beitrag gewidmet. Dieser Blog war verantwortlich für die meisten meiner ersten Berührungspunkte mit der härteren Musik – und Sunn O))) wurde schon von ihnen als Band beschrieben, die man live gesehen haben muss, da sie von der Performance lebt und die schiere Lautstärke von keinem YouTube Video eingefangen werden kann. Ein weiteres Häkchen auf meiner Bucket List.